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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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deutete mit dem Messer auf den Kahlköpfigen. »Du
     heißt Jakob Olbram. Du hast von den Heinrichauer Zisterziensern die Mühle am Lägelbach gepachtet. Komisch, bisher hat man
     dich überall für einen Zuträger des Abtes gehalten, sollte das etwa nur Tarnung gewesen sein? Denn wie ich sehe, kannst du
     nicht nur zutragen, du schreckst auch vor Meuchelmord nicht zurück.«
    Der Kahlköpfige reagierte nicht. Er sah nicht einmal den Sprecher an, es schien, als hörte er dessen Worte nicht. Tybald Raabe
     klappte mit einem hellen Geräusch das Messer auf.
    »Hier ganz in der Nähe ist im Wald ein kleiner See«, sagte er zu Reynevan, »auf dem Grund dort ist der Schlamm klaftertief.
     Keiner wird sie je dort finden.«
    »Deine Mission kannst du als beendet ansehen«, fügte er ernst hinzu. »Du hast Vogelsang gefunden. Nur dass das kein Vogelsang
     mehr ist. Das ist eine Diebesbande, die bereit ist, einen Mord zu begehen, um an ihr Diebesgut zu gelangen. Verstehst du nicht?
     Die Gruppe ist mit enormen Geldmitteln ausgestattet worden. Sehr viel Geld, um Netzwerke und Diversantengruppen aufzubauen,
     um Spezialeinsätze zu finanzieren. Sie haben sich dieses Geld angeeignet, es gestohlen. Sie wissen, was sie erwartet, wenn
     das herauskommt und Filou sie findet, deshalb haben sie jeglichen Kontakt gemieden. Jetzt sind sie in Panik geraten, jetzt
     sind sie gefährlich. Sie und niemand anderer haben in Lauenbrunn den Anschlag auf dich verübt. Deswegen rate ich: keine Gnade.
     Einen Stein um den Hals, und in den See.«
    Auf den Gesichtern der beiden zeichnete sich nicht einmal der Schatten einer Bewegung ab, in den erloschenen Augen war kein
     Funke Leben. Reynevan stand auf und nahm dem Goliarden das Messer aus der Hand.
    »Wer hat in Lauenbrunn mit der Armbrust auf mich geschossen? Wer hat die Mönche getötet? Ihr?«
    |434| Keine Reaktion. Reynevan beugte sich vor und schnitt die Fesseln durch. Erst dem einen, dann dem anderen.
    »Ihr seid frei«, erklärte er ruhig. »Ihr könnt gehen.«
    »Du machst einen Fehler«, mahnte ihn Tybald Raabe.
    »Das ist sehr dumm«, bemerkte der Mamun in seiner Ecke.
    »Ich bin Reinmar von Bielau«, Reynevan tat, als hörte er nichts, »der Bruder von Peter von Bielau, den ihr einst so gut gekannt
     habt. Ich diene derselben Sache, der auch Peter gedient hat. Ich wohne jetzt hier, im ›Silbernen Glöckchen‹. Ich werde die
     ganze Woche hier bleiben. Wenn die Inquisition oder die Leute des Bischofs hier auftauchen, ergeht Nachricht nach Böhmen.
     Sollte ich eines Nachts von der Hand eines Meuchelmörders sterben, ergeht Nachricht nach Böhmen. Prokop wird dann wissen,
     dass er auf Vogelsang nicht mehr zählen kann, weil es Vogelsang nicht mehr gibt.«
    »Wenn es aber so ist, wie Tybald sagt«, fügte er nach einer Weile hinzu, »dann nutzt diese sieben Tage gut. Vor Ablauf einer
     Woche sende ich keine Nachricht nach Böhmen. Das sollte euch genügen, in dieser Zeit kann man ziemlich weit kommen. Neplach
     findet euch auch so, früher oder später, aber das ist dann seine und eure Sache. Das interessiert mich nicht. Und jetzt macht,
     dass ihr wegkommt!«
    Die Freigelassenen blickten ihn an, aber so, als sähen sie nur einen Gegenstand, einen, der ihnen noch dazu völlig gleichgültig
     war. Ihre Augen waren tot und leer. Sie sagten kein einziges Wort, brachten nicht einen Ton heraus. Sie gingen ganz einfach.
    Lange Zeit herrschte Schweigen.
    »Sieh ihn dir nur mal an, Raabe«, beendete Jon Malevolt die Stille. »Er hat sich für die Sache geopfert. Komisch, dabei sieht
     er gar nicht aus wie ein Idiot. Da sieht man’s mal wieder, der Schein trügt!«
    »Wenn die Hussiten einst ihren eigenen Papst haben«, stellte Tybald Raabe fest, »müsste der dich heilig sprechen, Reinmar.
     Tut er das nicht, ist er ein undankbarer Sack.« |435| Reynevan blieb eine Woche im »Silbernen Glöckchen«, tagsüber saß er mit der Armbrust auf den Knien da, nachts schlief er mit
     dem Messer unter dem Kopfkissen. Er war allein – Tybald Raabe und der Mamun Malevolt waren weggeritten und hatten sich versteckt.
     Es sei ein zu großes Risiko, hatten sie erklärt. Sollte etwas passieren, sei es besser für sie, weit weg vom Ort des Geschehens
     zu sein. Aber nichts geschah. Niemand kam, um Reynevan zu verhaften oder zu ermorden. Seine Chancen, ein Märtyrer zu werden,
     schwanden von Tag zu Tag mehr.
    Am zwanzigsten November tauchte Tybald Raabe wieder auf. Mit Neuigkeiten und Gerüchten. Jakob Olbram

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