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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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  ... Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, das wäre wie   ...«
    »Wie was?«
    »Wie Scheitern. Ohne die Hoffnung auf
consolamentum

    »Du sprichst wie eine Kartharerin.«
    »Montségur dauert an«, flüsterte sie, die Lippen dicht an seinem Ohr. »Der Gral ist noch nicht gefunden.«
    Sie berührte ihn, berührte und elektrisierte ihn sanft durch ihre Zärtlichkeit. Als sie sich auf die Knie erhob, brannten
     ihre Augen in der Dunkelheit. Sie beugte sich über ihn und war behutsam und sanft, wie eine Welle, die den Sand am Strand
     berührt. Ihr Atem war heiß, heißer noch als ihre Lippen. Samson hat Recht, konnte er gerade noch denken, bevor die Lust ihm
     die Fähigkeit zu denken nahm. Samson hat Recht. Hier ist mein Ogygia. Und sie ist meine Kalypso.
    »Montségur dauert an.« Es dauerte einige Augenblicke, bis er ihr lautes Flüstern hörte. »Und es hält stand. Es ergibt sich
     nicht und wird nie eingenommen werden.«
     
    Der August des Jahres 1428 war heiß, eine schier unerträgliche Hitze hielt bis zur Hälfte des Monats an, bis Mariä Himmelfahrt,
     das im Volksmund auch das Grüne Marienfest genannt wird. Auch der September war noch sehr warm. Erst nach Matthäi begann sich
     das Wetter ein wenig zu verschlechtern. Und am dreiundzwanzigsten September fiel endlich Regen.
    Am vierundzwanzigsten September kehrten alte Bekannte zurück.
     
    |636| Ein erstes Zeichen, dass die Rückkehr alter Bekannter bevorstand, war – indirekt, über den unermüdlichen Klostergärtner –
     ein Gerücht, das, anfangs undeutlich und wenig klar, im Laufe der Zeit jedoch immer deutlichere Gestalt annahm. Jemand hatte
     Flugblätter auf den Marktplatz von Brieg geworfen, die ein ziegenköpfiges Gespenst mit einer Tiara auf dem gehörnten Kopf
     zeigten. Ein paar Tage später tauchten ähnliche Bildchen in Wansen und in Strehlen auf – zu sehen war darauf ein Schwein,
     das eine Mitra trug, und der Untertitel, der keinen Zweifel ließ, lautete:
»Conradus episcopus sum.«
    Ein paar Wochen später wurde es dann ernst. Unbekannte Täter – die Fama hatte ihre Zahl mittlerweile auf zwanzig erhöht –
     hatten auf der Straße nach Breslau Herrn Rupert von Seidlitz überfallen und erstochen, den Vizechef der Schweidnitzer Gegenspionage,
     der für seine grausamen Methoden bei der Verfolgung hussitischer Sympathisanten bekannt war. An einem Dolchstich starb in
     Grottkau der Stadtschreiber, der sich gerühmt hatte, über hundert Menschen denunziert zu haben. In Zobten am Berge traf ein
     Armbrustbolzen den Propst von St. Anna, der seine etwas freier denkenden Pfarrkinder hart verfolgte, auf der Kanzel.
    Am Freitag nach Matthäi, am vierundzwanzigsten September, noch bevor die Nachricht das Kloster erreicht hatte, dass im nahe
     gelegenen Priebron der Schulze mit einem Stilett erstochen worden war, erschienen Bisclavret und Řehors in Weißkirchen. Man
     ließ sie natürlich nicht ein, sie warteten im Gutshof auf Reynevan. Am Brunnen. Řehors wusch in einem Trog das Blut von den
     Ärmeln seines Wamses, und ohne sich auch nur im Geringsten zu schämen, spülte er seine vom Blut klebrige Navaja ab.
    »Schluss mit dem Auf-der-faulen-Haut-Liegen, lieber Bruder Reinmar!« Řehors wrang den ausgewaschenen Ärmel aus. »Die Arbeit
     wartet!«
    »So eine?« Reynevan deutete auf den blutigen Schaum, der aus dem Trog rann. Bisclavret lachte.
    |637| »Ich mag dich auch sehr«, spöttelte er. »Ich habe mich auch schon nach dir gesehnt und freue mich, dass du wieder bei guter
     Gesundheit bist, wie ich sehe. Obwohl du, wie mir scheint, ein wenig schmaler geworden bist. Hat dich das Fasten so geschmälert?
     Das Klosteressen? Oder die Liebesspiele?«
    »Verdammt noch mal, steck endlich dieses Messer weg!«
    »Was denn? Gefällt’s dir nicht? Verletzt es deine Gefühle? Das Kloster hat dich verändert, wie ich sehe. Noch vor einem halben
     Jahr hast du in Eisersdorf bei Glatz einen Mann mit bloßen Händen getötet. Aus persönlicher Rache. Und auf uns, die wir für
     die Sache kämpfen, wagst du es, von oben herabzublicken? Und rümpfst deine adelige Nase?«
    »Ich habe gesagt, steck das Messer weg! Warum seid ihr gekommen?«
    »Das kannst du doch sicher erraten.« Řehors verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wenn du’s erraten hast, dann kneif deinen
     Arsch zusammen. Wir haben gesagt, es gibt Arbeit. Vogelsang geht zum Gegenangriff über, und du gehörst immer noch dazu, keiner
     hat dich von der Liste gestrichen und

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