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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Morgendämmerung über die marschierenden Waisen hergefallen. Eine Meile hinter Grottau. Bei Kratzau.«
    »Und sie haben sie geschlagen!«
    »Geschlagen oder nicht«, Bisclavret machte die Miene eines Mannes, der ausspucken möchte, aber hinunterschlucken muss, »Královec
     ist davongekommen   ... Er hat   ... Er hat ein paar   ...«
    |650| »Ein paar hundert Leute verloren«, vollendete der Pole den Satz. »Die Wagen. Und die gesamte Beute.«
    »Von den Deutschen sind aber auch viele bei Kratzau gefallen«, knurrte der Écorcheur. »Mit Lothar von Gersdorf an der Spitze.«
    »Immerhin hat Kratzau gezeigt, dass ihr nicht unbesiegbar seid«, brummte Jakubowski.
    »Nur Gott ist unbesiegbar.«
    »Und die, die sich der Gnade Gottes erfreuen.« Der Pole setzte ein schiefes Lächeln auf. »Solltet ihr Hussiten dieser Gnade
     etwa nicht mehr teilhaftig sein?«
    »Gottes Ratschluss ist unerforschlich, Herr Jakubowski.« Horn blickte ihm direkt in die Augen. »Man kann ihn nicht durchdringen
     noch vorausnehmen. Anders ist es mit den Menschen, die kann man durchschauen. Aber wir verlieren unnötig Zeit mit derartigen
     Erwägungen. Lasst uns zu unseren Geschäften zurückkehren. Das allein ist jetzt wichtig.«
     
    Urban Horn hatte viele wichtige Dinge zu erledigen. Reynevan, der zu seinem Assistenten aufgestiegen war, hatte immer weniger
     Möglichkeiten, schnell zu Jutta zurückzukehren.
    In Schweidnitz blieben sie nicht lange, sie ritten nach Neisse, zuvor verabschiedeten sie sich aber noch von Bisclavret.
    »Wir sehen uns.« Der Écorcheur sah Reynevan beim Abschied tief in die Augen. »Wir sehen uns, wenn die Zeit dafür gekommen
     ist. Ich werde erscheinen, damit du es nicht vergisst. Ich werde in deinem gemütlichen Klösterchen erscheinen und dich an
     deine Pflicht erinnern.«
    Das klang fast wie eine Drohung, aber Reynevan kümmerte sich nicht recht darum. Er hatte keine Zeit dazu. Horn drängte.
    Sie ritten ins Oppelner Land, in eine Gegend, die Horn für verhältnismäßig sicher hielt. In den Herzogtümern Oppeln und Falkenberg
     hatte der Erbe dieser Fürstentümer, der junge Bolko Wołoszek, immer mehr an Einfluss gewonnen und war zusehends bedeutender
     geworden. Bolkos Antipathie gegenüber |651| dem Bischof und die Aversion, die er gegen den Klerus und die Inquisition hegte, waren allgemein bekannt. Im Oppelner Land
     wurde Verfolgung nicht geduldet. Der Bischof und der Inquisitor drohten dem jungen Prinzen zwar mit Exkommunikation, aber
     Wołoszek pfiff darauf.
    Horn und Reynevan hatten keinen festen Standort; sie waren ständig unterwegs, operierten zwischen Kreuzburg, Oppeln, Strehlitz
     und Gleiwitz, nahmen Kontakt zu Leuten auf, die aus Polen herüberkamen – aus Olkusch, Sachsdorf, und Trebnitz, aus Wielu ń,
     aus Pabianice, ja sogar aus Krakau. Es gab viel zu erledigen und vieles zu besprechen. Reynevan, der bei den Verhandlungen
     über die Lieferungen meist schweigend dabeisaß, war über das kaufmännische Geschick Urban Horns verwundert. Ebenso erstaunte
     ihn, wie kompliziert die Dinge waren, die er bis dahin für lächerlich einfach gehalten hatte.
    Eine Kugel zum Beispiel war nicht einfach wie die andere. Für die Handfeuerwaffen, welche die Hussiten benutzten, benötigte
     man meist Kugeln, deren Kaliber die Größe eines Fingers hatte. Ein Finger und ein Gerstenkorn war die typische Kaliberstärke
     für leichtere Hakenbüchsen, die Läufe der schwereren Hakenbüchsen und Handkanonen hatten ein Kaliber von der Größe von zwei
     Fingern und einem Korn. Urban Horn musste mit den Vertretern der polnischen Schmiede die Lieferung all dieser Arten von Kugeln
     in entsprechender Menge aushandeln.
    Dann wurde Reynevan klar, dass Schießpulver nicht gleich Schießpulver war, es war schon lange nicht mehr das, was es zu Zeiten
     von Berthold Schwarz gewesen war. Die Proportionen von Salpeter, Schwefel und Holzkohle mussten genau aufeinander abgestimmt
     sein, auch hingen sie davon ab, für welche Waffe das Pulver bestimmt war. Handfeuerwaffen benötigten einen höheren Anteil
     an Salpeter, für Hakenbüchsen, Tarrasbüchsen und Bombarden brauchte man ein Pulver, das mehr Schwefel enthielt. Stimmte das
     Mischungsverhältnis nicht, eignete |652| sich das Pulver nur noch für ein Feuerwerk, und dazu noch ein schlechtes. Das Pulver musste auch noch entsprechend granuliert
     sein – war es das nicht, zersetzte es sich während des Transportes: Der schwerere Salpeter wanderte nach unten und

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