Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
abgedroschenen Gegenstande nicht länger verweilen: auch würde ich ihn gar nicht berührt haben, wäre es nicht wegen meiner Landsleute geschehen, die dem Anscheine nach über Gebühr Antheil daran genommen, und wegen gewisser nachtheiligen Wirkungen, welche sie, wie ich fürchtete, auf das National-Gefühl hervorbringen könnten. Sie können uns keinen wesentlichen Schaden bringen. Wir legen einen zu großen Werth auf diese Angriffe. Das Gewebe von Entstellungen, mit welchem man uns zu umstricken trachtet, gleicht den Spinnweben, mit welchen die Glieder eines jungen Riesen umstrickt werden. Unser Vaterland wächst immer über sie hinaus. Eine Unwahrheit nach der andern fällt von selbst zusammen. Wir brauchen nur weiter fort zu leben, und jeder Tag unsers Lebens erzeugt einen ganzen Band von Widerlegungen. Alle Schriftsteller von England vereinigt, wenn wir nur einen Augenblick annehmen könnten, daß ihr erhabener Sinn sich zu einer so unwürdigen Vereinigung erniedrigen dürfte, würden unsre schnell emporwachsende Bedeutsamkeit und das beispiellose Gedeihen nicht verhüllen können. Sie könnten es nicht verhehlen, daß diese Erscheinungen nicht allein physischen und örtlichen, sondern auch moralischen Ursachen zugeschrieben werden müssen – namentlich der politischen Freiheit, der allgemeinen Verbreitung von Kenntnissen, dem Uebergewichte gesunder moralischer und religiöser Grundsätze, welche dem Charakter eines Volks Kraft und anhaltenden Nachdruck geben, und welche, in der That, die anerkannten und wunderbaren Stützen ihrer eigenen National-Macht und ihres Ruhmes gewesen sind.
Warum sind wir aber so ungemein empfindlich gegen alle Verläumdungen Englands? Warum lassen wir uns die Schmach so sehr zu Herzen gehen, welche es sich bestrebt hat auf uns zu häufen? In der Meinung von England allein ist nicht alle Ehre begründet, hat nicht aller Ruhm seinen Sitz. Die weite Welt ist die Schiedsrichterin über den Ruhm eines Volkes; mit ihren tausend Augen beobachten sie die Thaten eines Volkes, und auf ihrem Gesammt-Zeugniß beruhet National-Ruhm oder National-Schande.
Für uns ist es daher verhältnißmäßig von nur geringer Wichtigkeit, ob England uns Gerechtigkeit widerfahren läßt, oder nicht; weit bedeutsamer ist es vielleicht für dieses Land selbst. Es gießt in die Brust eines jugendlichen Volkes Zorn und Erbitterung, die mit seinem Wachsthum wachsen, und mit seiner Stärke stärker werden. Wenn es in Amerika, wie einige seiner Schriftsteller es zu überzeugen bemüht sind, später einen eifersüchtigen Nebenbuhler und einen riesenhaften Feind finden sollte, so mag es denselben Schriftstellern danken, daß sie diese Nebenbuhlerschaft geweckt und die Feindseligkeit gereizt haben. Jedermann kennt den allumgreifenden Einfluß der Literatur in der jetzigen Zeit und wie sehr die Meinungen und Leidenschaften der Menschen von ihr geleitet werden. Die bloßen Kämpfe mit dem Schwerte sind vorübergehend; die Wunden, welche es schlägt, sind nur in dem Fleisch, und es ist der Stolz des Edeln, sie zu vergeben und zu vergessen; allein die Verläumdungen der Feder dringen in das Herz; sie eitern am längsten in den edelsten Geistern; sie bleiben dem Gemüthe immer gegenwärtig, und machen es krankhaft empfindlich gegen die leiseste unangenehme Berührung. Nur selten bringt eine öffentliche Handlung Feindseligkeiten zwischen zwei Völkern hervor; am gewöhnlichsten ist eine frühere Eifersucht und böser Wille vorhanden; eine vorgängige Neigung, Anstoß zu nehmen. Verfolgt dies Alles bis zu seiner Quelle, und wie oft werdet ihr finden, daß es in den unseligen Ergießungen besoldeter Schriftsteller gegründet ist, die, sicher in ihren Cabinetten und um schmachvollen Brodes willen, das Gift bereiten und verbreiten, welches in den Großmüthigen und Wackern wirken soll.
Ich lege nicht zu viel Gewicht auf diesen Punkt; denn er bezieht sich ausdrücklich auf unsern besondern Fall. Auf keine Nation wirkt die Presse so unbeschränkt, wie auf das amerikanische Volk, denn die allgemeine Erziehung der ärmsten Klassen macht jeden Einzelnen zum Leser. Es wird in England nichts in Bezug auf unser Land herausgegeben, das nicht in jedem Theile desselben in Umlauf käme. Jede Verläumdung, die aus einer englischen Feder fließt, jede unwürdige Spottrede, die einem englischen Staatsmann entschlüpfte, hilft das Wohlwollen dämpfen und die Masse heimlichen Grolls vermehren. Da nun England wirklich die Haupt-Quelle besitzt,
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