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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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der Harfe und Zither und wußte alle zärtliche Balladen aus den Minnesängern auswendig.
    Ihre Basen, die in ihren jüngeren Jahren flatterhaft und große Coquetten gewesen waren, schickten sich auch vortrefflich dazu, über die Aufführung der Nichte zu wachen; denn es gibt keine so streng kluge und unerbittlich ehrsame Duenna, wie eine überalterte Coquette. Sie durfte nie das Gebiet des Schlosses überschreiten, ohne wohl begleitet oder vielmehr wohl bewacht zu sein, mußte beständig Lehren über Anstand und strengen Gehorsam anhören, und was die Männer betraf – ha! – da hatte man ihr eingeprägt, sie so fern von sich zu halten und ihnen so wenig zu trauen, daß sie, wenn sie nicht ausdrücklich dazu Erlaubniß erhalten, auf den schönsten Cavalier von der Welt auch nicht einen Blick geworfen haben würde – nein, nicht, wenn er zu ihren Füßen gestorben wäre.
    Die guten Wirkungen dieses Systems zeigten sich auf eine wunderbare Art; das Fräulein war ein Muster von Folgsamkeit und Anständigkeit. Während Andere ihre Lieblichkeit in dem frohen Glanze der Welt vergeudeten, und leicht von jeder Hand gepflückt und an die Seite geworfen werden konnten, erblühte sie keusch zu einer frischen und lieblichen Weiblichkeit unter dem Schutze dieser unbefleckten Jungfrauen, wie eine Rosenknospe unter schützenden Dornen sich entfaltet. Ihre Basen betrachteten sie mit Stolz und Entzücken, und behaupteten, daß, wenn auch alle junge Damen in der Welt sich verirren könnten, der Erbin von Katzenellenbogen, dem Himmel sei gedankt, nie so etwas begegnen würde.
    Aber, obgleich der Baron von Landshort nicht mit vielen Kindern gesegnet war, so war doch seine Haushaltung nicht klein, denn die Vorsehung hatte ihn mit einer Menge armer Anverwandten bereichert. Diese besaßen, ohne Ausnahme, die liebevolle Zuneigung, welche allen untergeordneten Verwandten eigen ist, hingen sehr an dem Baron, und benutzten jede mögliche Gelegenheit, in Haufen nach dem Schlosse zu kommen und dieß zu beleben. Alle Familienfeste wurden von diesen guten Leuten auf Kosten des Barons begangen, und wenn sie sich gehörig gesättigt, so erklärten sie laut, daß nichts auf Erden so herrlich sei, als diese Familienzusammenkünfte, diese Jubelfeste des Herzens.
    Der Baron hatte, obgleich ein kleiner Mann, eine große Seele, die vor Freuden bei dem Gefühle anschwoll, der größte Mann in der kleinen Welt um ihn her zu sein. Er erzählte gern lange Geschichten von den gewaltigen alten Kriegern, deren Bilder finster von den Wänden herabblickten, und Niemand hörte ihm dabei ruhiger zu, als die, welche er auf seine Kosten ernährte. Er neigte sich sehr zum Wunderbaren bin, und glaubte steif und fest an alle die Erzählungen von übernatürlichen Begebenheiten, deren in Deutschland jeder Berg und jedes Thal voll ist. Die Gläubigkeit seiner Gäste übertraf seine eigene; sie hörten jede wunderbare Erzählung mit offenen Augen und offenem Munde an, und verfehlten nie, erstaunt zu sein, wenn sie ihnen auch schon zum hundertsten Mal wiederholt wurde. So lebte der Baron von Landshort, das Orakel seines Tisches, der unumschränkte Beherrscher seines kleinen Gebiets, und glücklich vor Allem in der Ueberzeugung, daß er der weiseste Mann seines Zeitalters sei.
    Zu der Zeit, von welcher meine Geschichte handelt, war auf dem Schlosse eine große Familienversammlung; sie galt einer Angelegenheit von der äußersten Wichtigkeit; – man erwartete nämlich den bestimmten Bräutigam der Tochter des Barons. Eine Verhandlung war zwischen dem Vater und einem alten Edelmanne in Bayern zu Stande gebracht worden, die Würde ihrer Häuser durch die Heirath ihrer Kinder zu vereinigen. Die Einleitung dazu war mit der gehörigen Pünktlichkeit getroffen worden. Die jungen Leute waren mit einander verlobt, ohne sich je gesehen zu haben, und der Tag zur Vermählung war angesetzt. Der junge Graf von Altenburg war zu dem Ende von dem Heere abberufen worden, und bereits auf dem Wege zu dem Baron, um dort seine Braut in Empfang zu nehmen. Man hatte selbst schon aus Würzburg, wo er durch einige Umstände aufgehalten wurde, Briefe von ihm, in welchen der Tag und die Stunde bestimmt war, zu welcher er eintreffen würde.
    Das Schloß war im Aufruhr, um die Anstalten zu treffen, den Bräutigam gehörig zu empfangen. Die schöne Braut war mit ungewöhnlicher Sorgfalt geschmückt worden. Die beiden Basen hatten bei ihrer Toilette den Vorsitz gehabt, den ganzen Morgen sich über

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