Gott´sacker (Krimi-Edition)
der Frauenseite wurde vermehrt im Gotteslob geblättert.
»Heute haben wir im Hinblick auf die Situation der Gemeinde eine neue Form der Fürbitte gefunden. Herr Bönle und ich werden im Wechsel Fürbitten auf Stichwort-Zuruf aus der Gemeinde frei formulieren. Das Stichwort muss in der Fürbitte eingebettet sein. Herr Pfarrer Ngumbu wird mir das erste Stichwort als Beispiel geben.«
Ngumbu machte ein erstauntes großes Auge. Ich bewegte mich nach einem strengen und auffordernden Blick Cäcis wie in Zeitlupe zum Ambo hin. Cäcilia blickte dreist in die Gemeinde.
Deodonatus schaute immer noch unsicher zu Cäci, sie nickte ihm auffordernd und freundlich lächelnd zu: »Bitte, Herr Pfarrer.«
Deodonatus faltete die großen Hände, senkte den einäugigen Blick, straffte seine breiten Schultern und erhob dann wieder demütig sein lockiges Haupt.
»Leba schätza«, formulierte Deodonatus, der sich von Cäcilia überrumpelt fühlte, in den überfüllten Kirchenraum hinein.
Nur den Bruchteil einer Sekunde stutzte Cäci, die Deodonatus nicht richtig verstanden hatte: »Oh Herr, gib uns unser tägliches Brot, denk an die, die nichts zu essen haben. Sie können nicht aus der Fülle unserer Speiseangebote schöpfen. Hunger und Elend prägen deren Alltag. Wir dagegen tun uns regional gütlich an Leberspätzle und anderen Spezialitäten. Herr, gib uns die Kraft, andere mitzuspeisen, sie an unserem üppigen Mahl teilhaben zu lassen. Wir bitten dich, erhöre uns.« Zögerlich stimmte die Gemeinde in den liturgisch bekannten Sprechrefrain ein.
Cäci war stolz, den absurden Begriff ›Leberspätzle‹ eingebracht zu haben und fragte sich wohl im Stillen, ob Deodonatus durch den Sturz gegen den Lattenzaun ernstere Schäden davongetragen hatte.
Fünf ewige Sekunden war es mucksmäuschenstill in der Kirche, nur die Hitze lärmte. Cäcilia nickte auffordernd in den lichtdurchfluteten Kirchenraum hinein. Dann kam der Stichwort-Zuruf aus der ersten Reihe: »Sünde.«
Der fünfjährige Paul-Josef Hallinger, verhaltensauffälliger Nachzügler in der bürgermeisterlichen Familie, freute sich sichtli ch über seinen Beitrag. Cäci nickte andächtig in meine Richtung. Ich befürchtete berechtigterweise das Schlimmste für mich, weil mein freies Reden oft unkontrollierbare Wege wählte, die ich schlecht wieder verlassen konnte.
»Ähm … Sünde. Schon Jesus hat gesagt, wer frei von Sünde ist, möge den ersten Stein erheben und ihn auf die Ehebrecherin werfen. Also ähm … Ehebruch ist ja heute bei vielen Frauen so richtig in Mode gekommen. Sie sehen im Fernsehen nichts anderes als Geschlechtsgenossinnen, die vor lauter Langeweile die Ehe brechen. Selbst Frauen um die 50 scheinen einer Affäre nicht abgeneigt. Diese medialen … ähm, Beispiele werden nun von vielen auch schon reiferen Frauen von 30 Jahren oder mehr nachgeahmt. Frauen, die Familie und ein Zuhause haben, einen Mann, der hart arbeitet … und ähm …, die Kinder sind in der Schule, der Mann ist bei der Arbeit. Die Wäsche macht die Maschine. Tiefkühlessen ist in Minuten servierfertig, und dann weiß eine junge Mutter heute eben den ganzen Tag nicht, was tun und gibt sich aus Langeweile dem Ehebruch hin …«
Ich bemerkte einen Stoß gegen mein Schienbein, Cäci lächelte ihr hellstes Lächeln in die irritierte Gemeinde. Ich fuhr fort: »… Herr, gib diesen fehlgeleiteten Frauen die Kraft, ihren Kindern ein selbst gekochtes Mittagessen, es müssen ja nicht fünf Gänge sein, auf den Tisch zu stellen. Herr, gib diesen Frauen auch die Kraft, den Verlockungen des männlichen Fleisches zu widerstehen. Herr, gib uns Männern aber auch die Kraft, den Frauen zu sagen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ein Leben auf dem Land ohne Ferrari und Silikonimplantate kann auch ein erfülltes Leben sein.«
»Wir bitten dich, erhöre uns«, klang es sonor von der Männerseite her.
Ich wusste sofort selbst, dass meine Fürbitte kein rhetorisches und gedankliches Highlight war, aber besser als nichts zu sagen, war es allemal. Außerdem hatte mir Cäci den Schlamassel eingebrockt. Meine Aufgabe hier ist mesnern und nicht predigen.
»Täter«, klang es blond aus den hinteren Reihen.
Aus der Orgelempore war das Rumpeln und atonale Musizieren einer umfallenden Gitarre zu hören. Deodonatus richtete sein Auge strafend nach oben.
»Herr, wir wissen, dass jemand auf fürchterliche Weise schuldig wurde. Der Täter ist vom Feuer des Hasses erfüllt, er hat Unschuldige
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