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Gott´sacker (Krimi-Edition)

Gott´sacker (Krimi-Edition)

Titel: Gott´sacker (Krimi-Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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wunderbar aus. An diesem Morgen jedoch wirkte sie leicht zerknittert. Ihr gelbes Nichts von Top hatte dunkle Ketchup-Flecken, das knappe Röckchen war zerknautscht.
    »Du siehst wie immer spitze aus.«
    Ich gab ihr einen Kuss, sie schien wenig überzeugt.

    Der Gottesdienst war übervoll, die Schäfchen saßen brav in ihren Bänken. Die männlichen Böcke und einige wenige Geißen rechts. Die Geißen und keine Böcke links. Die Gottesdienstbesucher hielten die siebenminütige Verspätung in Bezug auf die dramatische Dorfsituation für angemessen. Man war sogar ein bisschen stolz, dass so viele Auswärtige und Fremde am Gottesdienst teilnahmen. Auch neugierige Wüstgläubige, wie man die Evangelischen aus Wilhelmsdorf nannte, befanden sich unter den Gottesdienstbesuchern. Und dass die dörfliche Gesamtausnahmesituation wegen der integrierten Spontanausnahmesituation durch das ausgeuferte Fest zusätzlich gesteigert wurde, machte den Gottesdienst nochmals attraktiver. Aus meiner privilegierten Mesner-Sitzposition vom Chorraum heraus hatte ich den Überblick über die Versammelten. Ganz hinten entdeckte ich einen blonden Schopf. Das Gesicht wirkte durch die nächtliche Sause leicht derangiert. Sie hatte wahrscheinlich in ihrem engen, grünen Damen-Fahrzeug übernachtet. Immer wieder zog sie die Schultern hoch und ließ den Kopf über den Nacken rollen. Die Medien waren auch vertreten, wie würde das erst morgen bei den Beerdigungen werden?
    Ich wollte gerade aufstehen und das Glöckchen ausgangs der Sakristei zum Klingen bringen, um die weltlichen Hauptakteure des Gottesdienstes anzukündigen. Doch Kalner, der Unberechenbare, stand schon im Durchgang und bimmelte angemessen.
    Als die zwei Ministrantinnen, angeführt von Deodonatus, den Sakralraum betraten, ging ein Raunen durch die Kirche. Des Pfarrers linkes Auge war zu einem Schlitz angeschwollen und von kräftig purpurner Farbe, was seinem schwarzen Gesicht einen kriegerischen Ausdruck verlieh.
    Cäci saß als unfreiwillige Aktivistin in der ersten Reihe der Frauenseite und signalisierte mir mit beiden Zeigefingern ein Rechteck in der Luft. Ihrem Lippenspiel entnahm ich die verzweifelten Buchstaben ›Fürbittenzettel‹.
    Ich konnte nur unauffällig mit den Schultern zucken.
    Dann schaute Deodonatus, der sich hinter dem Altar positioniert hatte, einäugig hoch zur Orgel. Und noch einmal blickte er hinauf. Aus meiner Position hatte ich schon längst bemerkt, dass Philipp nicht an seinem Platz an der Orgel saß. Deodonatus schaute zu mir, dann zu Kalner, der immer noch im Durchgang zur Sakristei versteckt stand. Ich zuckte wiederum mit den Schultern. Kalner deutete seinem Pfarrer mit Zeichensprache an, dass er die Sache in die Hand nehmen werde. Er schritt würdig aus dem Dunkel des Gewölbes heraus und begab sich zum Mittelgang, machte einen Knicks in Richtung Altar hin, bekreuzigte sich andächtig und schritt pietätvoll zum Hauptportal hinaus.
    »So, wia üben noch die neue Kanon ›Du verwandelst meine Trauaa in Freude‹.«
    Die Gemeinde war heute besonders geduldig und Deodonatus übte, bis der Kanon vierstimmig perfekt ertönte. Gerade als die Schlusszeile im schönsten Akkord verklungen war, ging das Portal auf und Kalner erschien mit dem lädierten Philipp an der Hand. Philipp wirkte trotz wochenlanger intensiver Sonneneinstrahlung bleich. Das indische Stickhemd steckte nachlässig in der kurzen grünen Batikhose, die ansonsten schulterlangen Haare standen in alle Richtungen ab. Die hagere Gestalt schwankte leicht und hatte die Augen weit aufgerissen, um sich an die geänderten Lichtverhältnisse im Gottesraum zu gewöhnen. Offensichtlich wusste er nicht genau, wo er sich gerade befand. In der Rechten hielt er Müllers Framus-Gitarre. Unsicheren Schrittes bewegte er sich zur Orgel hoch.
    Ein Raunen und Getuschel ging durch die Kirche.
    Jäh eröffnete Philipp, vom Konzept abweichend, mit der geistlichen Kantate von Johann Sebastian Bach ›Wo soll ich fliehen hin‹.
    Ansonsten lief der Gottesdienst doch noch in einigermaßen geordneten Bahnen ab. Bis auf die Fürbitten.
    »Unsara liebe Gemeindamitglied Cäcilia Maier spricht nun da Fürbitta.«
    Cäci schaute mich verzweifelt an, als sie mit ihrem knappen Rock und ihrem aufreizenden gelben Top zum Ambo schritt. Vor die Ketchup-Flecken hielt sie ein rot eingebundenes Gotteslob. Den Minirock hatte sie schon weitestmöglich nach unten gezerrt, trotzdem war nervöses Gehüstele auf der Männerseite hörbar. Auf

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