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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Joseph sich die Gummihandschuhe überstreifte, trat er dicht an den Untersuchungstisch. »Na, wie fühlst du dich, Sam?« Aus irgendeinem Grund meinte er, lauter als normal sprechen zu müssen, jetzt, da er wußte, daß der Junge geistig zurückgeblieben war. Aber Sam reagierte nicht.
    »Alles in Ordnung, Sam?« rief Joseph. »Ich muß dich jetzt mit einer kleinen Nadel pieksen, einverstanden?«
    Sam verhielt sich, als wäre er aus Granit gehauen.
    »Ich möchte, daß du ganz stillhältst, ja?« beharrte Joseph.
    Sam regte sich nicht. Joseph stand gerade im Begriff, seine Aufmerksamkeit wieder der Instrumentenschale zuzuwenden, als sein Blick plötzlich auf Sams Zunge fiel. Der hervorstehende Teil war rissig und ausgetrocknet. Joseph beugte sichvor und konnte sehen, daß die Lippen in keinem besseren Zustand waren. Der Junge sah aus, als wäre er tagelang in der Wüste herumgeirrt.
    »Möchtest du etwas trinken, Sam?« erkundigte sich Joseph.
    Er blickte zu der Infusionsflasche hoch und stellte fest, daß die Flüssigkeit nicht lief. Er öffnete den Verschluß. Schließlich hatte es keinen Sinn, wenn der Junge austrocknete.
    Dann trat er an die Katheterschale und griff nach dem bereitliegenden Wattebäuschchen.
    Ein schriller, unmenschlicher Schrei zerriß die Stille im Röntgenraum. Joseph wirbelte herum. Sein Herz raste.
    Sam hatte seine Decke abgeworfen und zerkratzte sich den Arm, in dem die Infusionsnadel steckte. Seine Füße begannen auf dem Untersuchungstisch herumzuhämmern. Dabei stieß er immer wieder den gleichen schrillen Schrei aus.
    Joseph fing sich wieder soweit, daß er die Fluoroskopie-Einheit aus dem Bereich von Sams um sich schlagenden Beinen in Sicherheit brachte. Dann legte er Sam die Hände auf die Schultern, um ihn wieder auf die Tischplatte hinunterzudrücken. Doch Sam packte seinen rechten Arm mit solcher Gewalt, daß Joseph ein überraschter Laut des Schmerzes entfuhr. Außerstande, es zu verhindern, mußte er entsetzt mit ansehen, wie Sam seine Hand an den Mund zerrte und die Zähne in seinen Daumenballen grub.
    Jetzt war es Joseph, der einen heftigen Schrei ausstieß. Verzweifelt versuchte er, seinen Arm aus Sams Griff zu befreien, aber der Junge war viel zu stark. Schließlich stemmte er einen Fuß gegen den Untersuchungstisch und zog mit aller Kraft. Er stolperte rückwärts und fiel, der Junge landete auf seinem Brustkorb.
    Joseph spürte, wie Sam seinen Arm losließ. Einen Sekundenbruchteil später schloß sich die stahlharte Faust um seine Kehle. Sein Kopf drohte zu zerplatzen, als der Junge zudrückte. Er versuchte, die Hände des Jungen zu lockern, abergenausogut hätte er sich gegen einen Schraubstock zur Wehr setzen können. Der Raum begann sich zu drehen. Joseph mobilisierte seine letzten Reserven, riß das rechte Knie hoch und rammte es dem Jungen in die Leistengegend.
    Fast im gleichen Moment bäumte sich Sams Körper unter einem plötzlichen Muskelkrampf auf, dem sofort danach ein zweiter folgte und dann ein dritter. Der Junge erlitt einen epileptischen Anfall, und Joseph lag unter dem zuckenden, um sich schlagenden Körper begraben.
    Endlich erholte sich Sally von ihrem Schock und half Joseph, sich zu befreien. Sams Augen waren so verdreht, daß man die Pupillen nicht mehr sehen konnte. Blut sprühte in einer stetig größer werdenden Fontäne aus der zerfetzten Zunge.
    »Holen Sie Hilfe«, keuchte Joseph, während er seine eigene Blutung zu stoppen versuchte, indem er das Gelenk der verletzten Hand umklammerte. Zwischen den gezackten Wundrändern konnte er weiß ein Stück Knochen sehen.
    Noch bevor Hilfe eintraf, wurden Sams Krämpfe und die heftigen Verrenkungen schwächer und hörten schließlich ganz auf. Als das Erste-Hilfe-Team endlich da war, hatte der Junge aufgehört zu atmen. Fieberhaft arbeiteten sie an einer Wiederbelebung – ohne Erfolg. Nach einer Viertelstunde ließ sich Dr. Joseph Riggin zögernd wegführen, damit seine Hand genäht werden konnte, während Sally Marcheson die liegengebliebenen Röntgenbilder wegräumte.
     
    Während Thomas Kingsley sich die Hände wusch, spürte er die Erregung, die ihn vor jeder Operation erfüllte, in sich aufsteigen. Seit dem Tag, an dem er das erstemal im OP assistiert hatte, war ihm klar gewesen, daß seine Berufung in der Chirurgie lag, und binnen kürzester Zeit hatte sich sein Talent überall in der Klinik herumgesprochen. Inzwischen war er der beste Herzgefäßchirurg des Boston Memorial und damit ein Mann von

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