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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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heliumbetriebenen Gegenpulsballon in Nazzaros Aorta ein. Da er Schwierigkeiten mit der linken Herzkammer des Patienten erwartete, wollte er auf alles vorbereitet sein. Erst nachdem die Operation bereits angefangen hatte, dämmerte ihm der Ernst der Situation. Als er den Plan, den er sich im Geist zurechtgelegt hatte, in die Tat umzusetzen begann, war seine Angst in Erregung übergegangen. Nie würde er das Gefühl vergessen, das ihn durchlief, als er Nazzaros Herzschlag zum Stehen brachte und die zitternde Masse kranker Muskulatur in der Hand hielt. In diesem Moment wußte er, daß es in seiner Macht lag, Leben zu spenden. Den Gedanken an ein mögliches Versagen nicht einmal in Betracht ziehend, pflanzte er Nazzaro zunächst einen künstlichen Umgehungsweg, den sogenannten by-pass ein, was in jenen Tagen noch kaum erprobt war. Dann entfernte er das Aneurysma aus Nazzaros Herzwand, wobei er die Lücke mit mehreren Reihen kräftiger Seidenfäden vernähte. Und schließlich ersetzte er die defekte Herzklappe und den Klappenansatzring der Aorta.
    Kaum war die Operation gelaufen, versuchte Thomas den Patienten von der Herz-Lungen-Maschine zu nehmen. Ohne daß er es gemerkt hatte, war in der Zwischenzeit ein beträchtliches Publikum zusammengekommen. Ein trauriges Murmelnerklang, als offenbar wurde, daß Nazzaros Herz nicht über die Kraft verfügte, das Blut durch den Kreislauf zu pumpen. Unerschrocken nahm Thomas den Gegenpulsballon in Betrieb, den er vor der Operation eingesetzt hatte.
    Was für ein Moment freudiger Erregung, als Walter Nazzaros Herz reagierte! Nicht nur konnte der Patient von der Herz-Lungen-Maschine abgenommen werden, drei Stunden später im Genesungszimmer wurde nicht einmal mehr das Gegenpulsgerät benötigt. Thomas fühlte sich, als hätte er das Geheimnis des Lebens entdeckt. Die Erregung wirkte wie eine Droge. Noch Monate hinterher war eine Operation am offenen Herzen das hinreißendste Erlebnis, das er sich vorstellen konnte. Hineinzugehen, das Herz zu berühren, den Tod mit den eigenen zwei Händen zu besiegen – es war, als spielte man Gott. Bald merkte er, daß er von schweren Depressionen heimgesucht wurde, wenn er pro Woche nicht mehrere solcher Operationen durchführen konnte. Als er genug Übung hatte, setzte er jeden Tag mindestens zwei, drei derartige Eingriffe auf den Stundenplan. Sein Ruf war inzwischen so ungeheuer, daß ein endloser Strom von Patienten seiner harrte. Solange die Klinik ihm ausreichend Zeit im OP erlaubte, war Thomas über die Maßen glücklich. Wenn aber eine andere Abteilung oder die Kollegen von der akademischen Medizin seine Operationszeit beschränken wollten, wurde er so angespannt und aggressiv wie ein Drogensüchtiger, dem man seine tägliche Dosis wegzunehmen versucht. Um überleben zu können, mußte er operieren. Um sich nicht als Versager betrachten zu müssen, brauchte er das Gefühl, gottähnlich zu sein. Er brauchte den ehrfürchtigen Beifall der anderen Menschen, die unkritische Bewunderung, die in Larry Owens Augen stand, als er fragte: »Haben Sie sich schon entschieden, ob Sie einen doppelten oder einen dreifachen by-pass anlegen?«
    Die Frage holte Thomas wieder in die Gegenwart zurück.
    »Die Ausgangssituation ist gut«, sagte Thomas, während erLarrys Arbeit einer beifälligen Musterung unterzog. »Wir können genausogut gleich drei Umgehungen anlegen, vorausgesetzt, Sie haben genug Vena saphena.«
    »Mehr als genug«, verkündete Larry. Vor der Eröffnung von Campbells Brust hatte er dem linken Unterschenkel des Patienten fast fünfzig Zentimeter Rosenvene entnommen.
    »In Ordnung«, sagte Thomas voller Autorität, »dann wollen wir mal. Ist die Pumpe bereit?«
    »Alles bereit«, antwortete Phil Baxter nach einem prüfenden Blick auf seine Armaturen.
    »Pinzette und Skalpell«, sagte Thomas.
    Rasch, doch ohne Hast begann er zu arbeiten. Innerhalb weniger Minuten war der Patient auf Herz-Lungen-Maschine geschaltet. Thomas operierte überlegt und mit knappen Bewegungen. Seine Kenntnis der menschlichen Anatomie konnte man nur enzyklopädisch nennen, ebenso sein Gefühl für das Operationsmaterial. Wenn er eine Wunde vernähte, waren seine Bewegungen von derart präziser Ökonomie, daß es eine Freude für angehende Chirurgen war, ihm zuzusehen. Jeder Stich war perfekt plaziert. Er hatte schon so viele by-pass- Operationen durchgeführt, daß seine Hände in der Lage gewesen wären, fast mechanisch zu funktionieren, aber die Erregung, die sich

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