Gottspieler
internationaler Reputation.
Er spülte die Seifenlauge ab, wobei er darauf achtete, daß ihm kein Wasser die Arme hinunterlief. Mit der Hüfte öffnete er die Tür zum OP und konnte hören, wie die Unterhaltung im Raum ehrfürchtigem Schweigen wich. Teresa Goldberg, die Springschwester, reichte ihm ein Handtuch. Eine Sekunde lang trafen sich ihre Augen über den Gesichtsmasken. Er mochte Teresa. Sie hatte einen hinreißenden Körper, den selbst der weite grüne Kittel nicht ganz verbarg. Darüber hinaus konnte er sie anbrüllen, wenn ihm danach war, ohne daß sie gleich in Tränen ausbrach. Vor allem aber war sie intelligent genug, in Thomas nicht nur den besten Chirurgen des Memorial zu sehen, sondern ihm das auch zu sagen.
Mechanisch trocknete Thomas sich die Hände ab, während er die Lebenssignale des Patienten kontrollierte. Dann marschierte er wie ein General, der seine Truppen inspiziert, durch den Raum. Mit einem Kopfnicken begrüßte er Phil Baxter, den Perfusionisten, der hinter seiner Herz-Lungen-Maschine stand. Die Maschine war eingeschaltet und summte vor sich hin, bereit, das Blut des Patienten mit Sauerstoff zu versehen und es durch den Körper zu pumpen, während Thomas seine Arbeit tat.
Als nächsten begrüßte er den Anästhesisten, Terence Halainen.
»Alles in Ordnung«, sagte Terence, wobei er in rhythmischen Abständen den Blasebalg zusammendrückte.
»Gut«, sagte Thomas.
Er warf das Handtuch auf einen Tisch und ließ sich von Teresa in einen sterilen Kittel helfen. Dann streifte er sich braune Gummihandschuhe über. Wie aufs Stichwort blickte Dr. Larry Owen, Oberarzt der Herzchirurgie, vom Operationsfeld auf.
»Mr. Campbell steht zu Ihrer Verfügung«, sagte er und trat beiseite, um Thomas an den Operationstisch zu lassen. Der Patient lag mit weit geöffnetem Brustkorb bereit für den berühmten Dr. Kingsley und den künstlichen Gefäßersatz, den dieserihm einsetzen sollte. Am Boston Memorial war es üblich, daß der dienstälteste Oberarzt solche Operationen einleitete und abschloß.
Thomas trat an die rechte Seite des Patienten. Wie er es immer in dieser Phase tat, griff er sacht in die Wunde und berührte das klopfende Herz. Die nasse Oberfläche seiner Gummihandschuhe bot keinen Widerstand. Durch das dünne Material konnte er das Leben in dem geheimnisvoll pulsierenden Organ spüren.
Der Kontakt mit dem schlagenden Herzen ließ seine Gedanken zurückwandern zu seinem ersten großen Fall in der Brustchirurgie ganz am Anfang seiner Karriere. Zwar hatte er schon vorher eine ganze Reihe von Operationen mitgemacht, aber immer nur als erster oder zweiter Assistent, was einen deutlichen Mangel an Autorität mit sich brachte. Dann war eines Tages ein Patient namens Walter Nazzaro eingeliefert worden. Nazzaro hatte eine schwere Herzattacke hinter sich und hätte eigentlich längst tot sein müssen. Aber er lebte noch. Er hatte nicht nur die Herzattacke überstanden, sondern auch die rigorosen Untersuchungen, denen er bei der Aufnahme ausgesetzt worden war. Das Untersuchungsergebnis war beeindruckend. Jeder fragte sich, wie Walter Nazzaro überhaupt so lange hatte leben können. Er hatte einen Verschluß der Hauptkranzarterie links, der für seine Herzattacke verantwortlich gewesen war. Des weiteren hatte er einen Verschluß der rechten Kranzarterie, die Anzeichen eines früheren Herzanfalls erkennen ließ. Er hatte einen Herzklappenfehler und litt unter Aorteninsuffizienz. Als wäre es damit noch nicht genug, hatte Walter Nazzaro auch noch infolge seiner letzten Attacke ein akutes Herzwandaneurysma entwickelt. Schließlich und endlich litt er unter Herzrhythmusstörungen, zu hohem Blutdruck und einem Nierenleiden.
Da Walter Nazzaro eine solche Fundgrube anatomischer und physiologischer Krankheitsbilder war, wurde er auf allenKonferenzen vorgeführt, und jeder gab eine andere Meinung ab. Der einzige Aspekt, über den sich alle einig waren, lag in der Tatsache, daß Nazzaro eine wandelnde Zeitbombe darstellte. Niemand wollte ihn operieren, mit Ausnahme eines jungen Chirurgen namens Thomas Kingsley, der die Meinung vertrat, daß eine Operation Nazzaros einzige Chance war, dem Tod von der Schippe zu springen. Thomas gab keine Ruhe, bis die Leute es nicht mehr hören konnten. Endlich erlaubte ihm der Direktor der Herzchirurgie, den Fall zu übernehmen.
Am Tag der Operation führte Thomas, der mit einer experimentellen Methode zur Stützung der Herzfunktionen gearbeitet hatte, einen
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