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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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eine der beiden Hälften in den Mund. Nach kurzem Zögern und weil er einen Anflug von Kopfschmerz verspürte, nahm er auch noch die zweite. Immerhin hatte er es sich verdient.
    Die Tabletten schmeckten bitter, und er brauchte einen Schluck Wasser, um sie hinunterzuspülen. Danach aber ging es ihm sofort besser, und seine Angst ließ nach.
     
    Die Freitagnachmittagskonferenz der Herzchirurgie fand im Turner-Hörsaal gegenüber der Intensivstation statt. Er war von der Frau eines gewissen J. P. Turner gestiftet worden, der um 1940 das Zeitliche gesegnet hatte, und die Einrichtung ließ an die große Zeit der Art deco denken. Es gab sechzig Sitzplätze, was in jenen Jahren ungefähr die Hälfte einer Klasseausmachte. Am Kopfende befand sich ein erhöhtes Podium, dahinter eine staubige Tafel und ein stehendes Skelett. Über allem schwebten einige veraltete Anatomie-Lehrkarten an der Wand.
    Es war Dr. Norman Ballantine gewesen, der darauf bestanden hatte, daß die Freitagnachmittagskonferenz im Turner-Saal stattfand, weil er sich in der Nähe der Station befand, und, wie Dr. Ballantine sich ausdrückte, »der Patient kommt immer an erster Stelle«. Aber die kleine Gruppe der zwölf jetzt hier versammelten Ärzte wirkte verloren inmitten des Meers von leeren Stühlen, und außerdem fühlten sie sich hinter den spartanischen Schreibpulten mehr als unwohl.
    »Meine Herren, ich denke, wir können anfangen«, sagte Ballantine laut. Die Ärzte hörten auf, sich zu unterhalten, und nahmen Platz. Anwesend an diesem Freitagnachmittag waren sechs der acht zur Abteilung gehörigen Herzchirurgen, darunter, außer Ballantine, die Herren Sherman und Kingsley, mehrere andere Ärzte und Verwaltungsangestellte sowie eine erstaunliche Neuerwerbung namens Rodney Stoddard: ein Philosoph!
    Thomas beobachtete Stoddard, wie er sich hinsetzte. Der Bursche sah aus, als wäre er kaum dreißig, obwohl er fast kahl war und das verbliebene Haar sich farblich kaum von der hellen Haut abhob, so daß man Mühe hatte, es überhaupt zu bemerken. Er trug eine Brille mit stahlgerahmten Gläsern und ein außerordentlich selbstzufriedenes Lächeln, das ständig zu sagen schien: »Frag mich nach deinen Problemen, denn ich habe die Antwort.«
    Stoddard war auf Betreiben der Universität angestellt worden. Bis vor kurzem waren die Ärzte verpflichtet gewesen, jedem ihrer Patienten nach bestem Vermögen zu helfen, aber jetzt, in der Zeit der Transplantationen, der künstlichen Organe und Operationen am offenen Herzen, mußten die Krankenhäuser eine Auswahl treffen und sich genau überlegen,wer in den Genuß solcher lebenswichtigen Eingriffe kam, denn zumindest im Moment waren all diese Techniken wegen ihrer außergewöhnlichen Kosten und des Aufwands, der bei der Nachversorgung betrieben werden mußte, nur begrenzt einsetzbar. Im allgemeinen tendierten die Klinikärzte dazu, Patienten mit übergreifenden Krankheitsbildern den Vorzug zu geben, obwohl diese nicht immer die besten Genesungschancen hatten, wohingegen Privatärzte wie Thomas lieber ansonsten gesunde, produktive Mitglieder der Gesellschaft in den Genuß der teuren medizinischen Errungenschaften kommen lassen wollten.
    Ein ironisches Lächeln stahl sich über sein Gesicht, als er Stoddard musterte. Er fragte sich, wieviel von der Selbstzufriedenheit des Philosophen wohl übrigbleiben würde, wenn er das Herz eines Menschen in der Hand halten müßte. Das war nämlich die Stunde der Entscheidung, nicht der Diskussion. Was Thomas betraf, so war Stoddards Anwesenheit bei der Konferenz ein weiteres Indiz für die bürokratische Suppe, in der die Medizin zu ertrinken drohte.
    »Ehe wir anfangen«, sagte Dr. Ballantine und streckte die Arme mit gespreizten Händen aus, als wollte er eine Menschenmenge zur Ruhe bringen, »möchte ich mich vergewissern, daß jeder von Ihnen den Artikel in der Time von dieser Woche gelesen hat, demzufolge das Boston Memorial als das Zentrum für Herzgefäßchirurgie gilt. Ich denke, wir verdienen diesen Ruf wirklich, und ich möchte mich bei jedem von Ihnen dafür bedanken, daß er mitgeholfen hat, diese Position zu erreichen.« Ballantine klatschte, gefolgt von George Sherman, und schließlich fielen auch die anderen ein.
    Thomas, der dicht an der Tür saß – für den Fall, daß er ins Genesungszimmer gerufen werden sollte –, warf dem Redner einen finsteren Blick zu. Ballantine und die anderen applaudierten einander gegenseitig für etwas, das hauptsächlich sein

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