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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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plötzlich von ihrem eigenen Benehmen peinlich berührt.
    Thomas gab ihr die Hand und verließ den Raum, erfüllt von einer vagen Angst, die er nicht verstand. Er fragte sich, ob er vielleicht einfach erschöpft war, wenn er sich auch nicht wirklich müde fühlte. Dennoch, immerhin hatte er wegen der Notoperation in der letzten Nacht kaum geschlafen. Er hängte den weißen Mantel wieder in den Kittelschrank und versuchte, seine Niedergeschlagenheit abzuschütteln.
    Bevor er zur Konferenz ging, unternahm er noch einen Abstecher ins Genesungszimmer. Seine beiden vorherigen Fälle, Victor Marlborough und Gwendolyn Hasbruck, waren stabil und erholten sich gut, wie erwartet, aber als er ihre Gesichter betrachtete, spürte er, wie seine Angst zunahm. Obwohl er erst vor wenigen Stunden ihre Herzen in der Hand gehalten hatte, würde er ihre Gesichter auf der Straße kaum wiedererkennen.
    Die forcierte Kameraderie im Genesungszimmer war irritierend und lenkte ihn ab, so daß er beschloß, das Casino aufzusuchen. Er machte sich eigentlich nichts aus Kaffee, trotzdem schenkte er sich eine Tasse ein und nahm sie mit zu einem der straff gepolsterten Ledersessel in der Ecke. Auf dem Boden lag der Feuilletonteil des Boston Globe, und er hob ihn auf, mehr um sich dahinter zu verstecken als der Lektüre wegen. Er hatte keine Lust, sich mit einem der Anwesenden vom OP-Personal zu unterhalten. Aber der Plan funktionierte nicht.
    »Danke für Ihre Unterstützung im Wartezimmer.«
    Thomas senkte die Zeitung und blickte auf, direkt in das breite Gesicht von George Sherman. George hatte einen starken Bartwuchs, so daß er jetzt, mitten am Nachmittag, schon aussah, als hätte er vergessen, sich morgens zu rasieren. Er war ein kräftiger, athletisch wirkender Mann, nur zwei oder drei Zentimeter kleiner als Thomas mit seinen eins achtzig, aber dank seines dichten, gelockten Haars konnte er als gleichgroß durchgehen. Er hatte sich bereits umgezogen und trug jetzt unter anderem ein zerknittertes blaues Button-down-Hemd, das offenbar noch nie mit der erhitzten Fläche eines Bügeleisens in Kontakt geraten war, eine gestreifte Krawatte und ein Kordsamtsakko, das an den Ellbogen leicht durchgescheuert war.
    George Sherman gehörte zu den wenigen unverheirateten Chirurgen. Was ihn darunter so einzigartig machte, war die Tatsache, daß er mit vierzig auch noch nie verheiratet gewesen war. Alle anderen Junggesellen im Memorial waren entweder geschieden oder lebten in ständiger Trennung von der Ehefrau. Aus diesem Grund erfreute George sich vor allem bei den jüngeren Schwestern größter Beliebtheit; sie wurden nicht müde, mit ihm zu flirten und immer wieder Spitzen auf seinen Familienstand anzubringen. George, überlegen und selbstsicher wie er war, ließ sich davon nicht im geringsten irritieren. Im Gegenteil, er genoß jede Minute und lehnte nur selten einAngebot ab. Thomas fand all das außerordentlich ärgerlich und provozierend.
    »Die arme Frau war ziemlich aufgeregt«, sagte er. Wieder lag es ihm auf der Zunge, eine Bemerkung, darüber zu machen, ob es wirklich ratsam war, einen solchen Fall in die Klinik zu holen, und wieder schwieg er. Statt dessen hob er die Zeitung, zum Zeichen, daß die Unterhaltung für ihn beendet war.
    »Es handelte sich um eine unerwartete Komplikation«, fuhr George ungerührt fort. »Ich nehme an, die gutaussehende Kleine im Wartezimmer war die Tochter eines Ihrer Patienten?«
    Thomas ließ die Zeitung wieder sinken. »Es ist mir nicht aufgefallen, daß sie besonders attraktiv gewesen wäre«, sagte er.
    »Warum geben Sie mir dann nicht einfach ihren Namen und ihre Telefonnummer?« fragte George mit einem vergnügten Lachen. Als Thomas nicht reagierte, wechselte er taktvoll das Thema. »Haben Sie gehört, daß einer von Ballantines Patienten letzte Nacht an Herzstillstand gestorben ist?«
    »Ist mir bekannt, ja«, sagte Thomas.
    »Der Knabe war schwul, nach eigenem Bekunden«, sagte George.
    »Das wußte ich nicht«, antwortete Thomas desinteressiert und fuhr fort: »Ich wußte auch nicht, daß die Frage, ob jemand homosexuell ist oder nicht, bei Routineuntersuchungen vor einer Herzoperation eine Rolle spielt.«
    »Sollte sie aber«, sagte George.
    »Und warum sind Sie dieser Überzeugung?« fragte Thomas.
    »Das werden Sie schon noch herausfinden«, sagte George und zog eine Augenbraue hoch. »Morgen, bei der Großen Konferenz.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte Thomas.
    »Na, dann bis später, Kumpel«,

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