Gottspieler
hinweisen, daß es eine wichtige Änderung in der Nutzung der Operationsräume gegeben hat.«
Raschelnd blätterte jeder bis zur letzten Seite. Sie wies vier vertikale Spalten auf, entsprechend den vier Operationssälen, die für Eingriffe am offenen Herzen reserviert waren. Horizontal war die Seite in die fünf Tage der Arbeitswoche unterteilt. In jedem der sich so ergebenden Kästchen standen die Namen der für diesen Tag eingeteilten Chirurgen. OP Nr. 18 war Thomas Kingsleys Saal. Als schnellster und meist beschäftigter Arzt wurden ihm vier Fälle pro Tag zugestanden, mit Ausnahme von Freitag, wo er wegen der Konferenz nur drei behandeln konnte. Das erste, worauf sein Blick fiel, als er die Seite überflog, war OP Nr. 18. Er traute seinen Augen nicht. Dem Plan nach hatte man ihm nur noch drei Fälle pro Tag eingeräumt, von Montag bis Donnerstag durchgehend.
»Die Universität hat uns die Genehmigung erteilt, den Lehrkörper um einen weiteren festangestellten Kollegen zu erweitern«, sagte Dr. Ballantine stolz, »und wir haben bereits angefangen, nach einem Kinderherzchirurgen Ausschau zu halten. Natürlich bedeutet das einen großen Fortschritt für die Abteilung. Um die neue Situation entsprechend vorzubereiten, erweitern wir die OP-Nutzungszeit des Lehrkörpers um vier Fälle pro Woche.«
»Dr. Ballantine«, meldete sich Thomas zu Wort, wobei ersich Mühe gab, seine Erregung zu verbergen. »Dem Plan nach sieht es so aus, als wären alle vier Fälle von meiner Zeit abgezogen worden. Darf ich davon ausgehen, daß es sich dabei um einen einmaligen Vorgang handelt, der nur für die nächste Woche Geltung hat?«
»Nein«, antwortete Dr. Ballantine, »der Plan, den Sie vor sich haben, gilt bis auf ausdrücklichen Widerruf.«
Thomas atmete langsam aus, bevor er neuerlich ansetzte. »Dagegen muß ich protestieren. Man kann es kaum als fair bezeichnen, daß ich der einzige sein soll, der OP-Zeit abgeben muß.«
»Tatsache ist, daß Sie ungefähr vierzig Prozent der gesamten OP-Zeit kontrolliert haben, Dr. Kingsley«, schaltete sich George ein. »Und das, obwohl es sich um eine Universitätsklinik handelt.«
»Leiste ich etwa keinen Beitrag zum Lehrbetrieb?« schnappte Thomas.
»Natürlich«, sagte Ballantine beruhigend. »Sie dürfen das nicht persönlich nehmen. Es ist lediglich eine Frage der gerechteren Verteilung der OP-Zeit.«
»Ich bin mit meinen Patienten bereits über einen Monat im Rückstand«, sagte Thomas. »Der Bedarf an Lehrfällen ist überhaupt nicht so groß. Es gibt kaum genug Patienten für die Demonstrationsoperationen, die Sie vorgesehen haben.«
»Keine Sorge«, sagte George. »Wir finden die Fälle.«
Thomas wußte genau, wohin der Hase wirklich lief. George und die meisten anderen waren eifersüchtig auf die Zahl der Fälle, die er behandelte, und auf das Geld, das er verdiente. Er hatte nicht übel Lust, aufzuspringen und George einen Kinnhaken zu verpassen. Ein Blick in die Runde zeigte ihm, daß alle anderen Anwesenden plötzlich mit ihren Notizen oder Schreibgeräten beschäftigt waren. Er konnte mit keinem von ihnen rechnen.
Dr. Ballantine sagte: »Wir alle müssen verstehen, daß wirTeil des Universitätssystems sind, dessen vornehmstes Ziel der Lehrauftrag ist. Wenn Sie sich von einigen Ihrer Privatpatienten zu sehr unter Druck gesetzt fühlen, könnten Sie die Eingriffe ja in anderen Krankenhäusern vornehmen.«
Thomas war so wütend und frustriert, daß es ihm schwerfiel, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wußte – wie es jeder wußte –, daß er nicht einfach seinen Kram nehmen und in einer anderen Klinik operieren konnte. Die Arbeit am Herzen erforderte ein erfahrenes und eingespieltes Team. Thomas hatte mitgeholfen, das System des Boston Memorial aufzubauen, und er hing seinerseits davon ab.
Priscilla Grenier meldete sich zu Wort und sagte, es wäre vielleicht möglich, einen weiteren Operationssaal zu schaffen, wenn sie die Genehmigung für die Anschaffung einer zusätzlichen Herz-Lungen-Maschine erhielten und einen Perfusionisten zu ihrer Bedienung einstellen dürften.
»Das ist ein Gedanke«, meinte Dr. Ballantine. »Thomas, vielleicht wären Sie bereit, den Vorsitz eines Komitees zu übernehmen, das die Ratsamkeit einer solchen Erweiterung untersucht.«
Thomas dankte Dr. Ballantine, wobei er sich bemühte, seinen Sarkasmus auf ein Minimum zu reduzieren. Er sagte, daß es ihm bei seiner derzeitigen Arbeitsbelastung leider nicht möglich sei, das Angebot auf der
Weitere Kostenlose Bücher