Gottspieler
stabil und normal. Mr. Campbell hatte ein paarmal Anzeichen leichter Herzrhythmusstörungen gezeigt, was aber schließlich von einem aufgeweckten Praktikanten auf Blähungen zurückgeführt und behoben worden war. Thomas ließsich den Namen des jungen Mannes geben, um ihm bei nächster Gelegenheit seine Anerkennung auszusprechen.
Als er an das Bett von Mr. Campbell trat, begrüßte der Patient ihn mit einem schwachen Lächeln. Dann wollte er etwas sagen. Thomas beugte sich zu ihm hinunter. »Ich habe Sie nicht verstanden, Mr. Campbell«, sagte er.
»Ich muß urinieren«, sagte Mr. Campbell leise.
»Sie haben einen Katheter in Ihrer Blase«, sagte Thomas.
»Ich muß trotzdem urinieren«, sagte Mr. Campbell.
Thomas nickte und ging weiter. Sollten die Pfleger sich mit Mr. Campbell herumstreiten.
Im nächsten Bett lag ein wahrhaft bedauernswerter Fall, eine von Ballantines Katastrophen. Der Patient hatte während der Operation infolge eines Embolus einen Gehirnschlag erlitten und war jetzt nicht mehr als lebendes Gemüse, das gänzlich von künstlicher Beatmung abhing, infolge der hervorragenden Pflege, die im Memorial geboten wurde, aber praktisch eine unbegrenzte Lebenserwartung hatte.
Thomas spürte eine Berührung an der Schulter. Er drehte sich um und war überrascht, George Sherman gegenüberzustehen.
»Thomas«, begann George. »Ich denke, es ist gesund, daß wir verschiedener Meinung sind, und sei’s nur, damit wir gezwungen sind, unsere eigenen Positionen zu überdenken. Aber wir sollten daraus keine Feindschaft werden lassen.«
»Mein Benehmen ist mir außerordentlich peinlich«, sagte Thomas, was aus seinem Mund beinahe einer Entschuldigung gleichkam.
»Ich bin selbst ein wenig hitzig geworden«, gab George zu. Er blickte auf das Bett, an dem Thomas stehengeblieben war. »Der arme Mr. Harwick. Wo wir schon von Bettenknappheit gesprochen haben – das hier könnten wir auch gebrauchen.«
Thomas konnte sich eines Lächelns nicht enthalten.
»Das Dumme ist nur«, fügte George hinzu, »daß Mr. Harwick uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird, wenn nicht …«
»Wenn was nicht?« fragte Thomas.
»Wenn wir nicht den Stöpsel herausziehen, wie man so sagt«, meinte George mit einem Lächeln.
Thomas wandte sich zum Gehen, aber George hielt ihn am Arm fest. Thomas fragte sich, warum der Mann ihn dauernd anfassen mußte.
»Sagen Sie«, fragte George, »hätten Sie den Mut, den Stöpsel zu ziehen?«
»Nicht ohne mich vorher mit Rodney Stoddard beraten zu haben«, sagte Thomas sarkastisch. »Und wie steht’s mit Ihnen, George? Sie würden doch fast alles tun, um mehr Betten zur Verfügung zu haben.«
George lachte und ließ seine Hand sinken. »Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, nicht wahr? Ich hätte nie damit gerechnet, daß Sie das mit Rodney bringen. Sie haben Humor, das muß ich sagen.« Er versetzte Thomas zum Abschied noch einen seiner kleinen Klapse, ehe er den Schwestern zuwinkte und davonmarschierte.
Thomas sah ihm nach, ehe er noch einmal auf Mr. Harwick hinunterblickte und dabei über Georges Bemerkung nachdachte. Von Zeit zu Zeit wurde ein Patient von den Maschinen genommen, die ihn am Leben erhalten hatten, aber weder Ärzte noch Schwestern gestanden das jemals ein.
»Dr. Kingsley?«
Thomas blickte auf. Neben ihm stand einer der Pfleger und sagte: »Ihr Auftragsdienst ist am Apparat.«
Nach einem letzten Blick auf Ballantines Patienten ging Thomas in den Kontrollraum, wobei er sich fragte, wie man Ballantine dazu bringen konnte, seine schwierigen Fälle an andere Operateure abzutreten. Er war überzeugt, diese »unvorhergesehenen« und »unvermeidlichen« Tragödien wären nicht passiert, wenn er den Eingriff durchgeführt hätte.
Er griff nach dem bereitliegenden Hörer und meldete sich mit unverhülltem Ärger. Wenn der Auftragsdienst nach ihm suchte, bedeutete das fast immer schlechte Neuigkeiten. Doch diesmal sagte die Telefonistin nur, daß er so schnell wie möglich seine Mutter anrufen solle.
Erstaunt entsprach er ihrem Wunsch. Seine Mutter versuchte ihn nie in der Klinik zu erreichen, es sei denn, etwas Wichtiges war vorgefallen.
»Entschuldige, daß ich dich störe«, sagte Patricia.
»Was gibt’s denn?« wollte Thomas wissen.
»Es geht um deine Frau.«
Eine Pause entstand. Thomas spürte, wie seine Geduld sich in Luft aufzulösen begann. »Mutter, ich habe zufälligerweise ziemlich viel zu tun.«
»Deine Frau hat mir heute morgen einen Besuch
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