Gottspieler
sind.«
Wieder schlug George die Hand von seiner Brust. »Nehmen Sie Ihren Finger weg«, schnappte er.
»Gentlemen«, sagte Ballantine und schob sich zwischen die Kontrahenten.
»Ich bin nicht sicher, daß Thomas mit dem Wort was anfangen kann«, sagte George.
»Hören Sie zu, Sie kleiner Scheißer«, fauchte Thomas, schob Ballantine beiseite und packte George bei der Hemdbrust. »Mit Ihren Fällen, die Sie bloß an Land ziehen, um Ihren sogenannten Lehrplan auszufüllen, machen Sie unser gesamtes Programm lächerlich.«
George Sherman stieg die Röte ins Gesicht. »Sie sollten besser mein Hemd loslassen, und zwar sofort!«
»Genug«, rief Ballantine und zerrte so lange an Thomas, bis dieser seine Hand sinken ließ.
»Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Leben zu retten«, sagte George durch zusammengepreßte Zähne, »nicht zu beurteilen, wessen Leben mehr wert ist. Diese Entscheidung liegt allein bei Gott.«
»Haargenau«, sagte Thomas. »Sie sind so dämlich, daß Sie nicht einmal begreifen, daß Sie sich genau solche Entscheidungen anmaßen. Das Problem dabei ist nur, daß Ihre Entscheidungen zum Himmel stinken. Jedesmal, wenn Sie mir OP-Zeit vorenthalten, wird ein potentiell gesunder Mensch zum Tode verurteilt.«
Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Saal.
George holte tief Luft, dann rückte er sein zerknittertesHemd zurecht. »Himmel, dieser Kingsley ist wirklich ein Schwein!«
»Er ist ziemlich arrogant«, stimmte Ballantine ihm zu. »Aber er ist eben auch ein verdammt guter Chirurg. Sind Sie in Ordnung?«
»Keine Sorge«, antwortete George. »Aber ich muß zugeben, ich hätte ihm beinahe eine geknallt. Ich glaube, der wird uns noch einigen Ärger machen. Ich hoffe, er schöpft keinen Verdacht.«
»In dieser Hinsicht kann uns seine Arroganz nur von Nutzen sein.«
»Bis jetzt haben wir Glück gehabt. Haben Sie übrigens sein Zittern bemerkt?«
»Nein«, sagte Ballantine überrascht. »Welches Zittern?«
»Er hat es ab und an. Mir ist es ungefähr vor einem Monat zum erstenmal aufgefallen, hauptsächlich, weil er bisher immer so unerschütterlich und ruhig war. Selbst heute bei seinem Vortrag habe ich es bemerkt.«
»Viele Leute sind nervös, wenn sie vor einer größeren Gruppe sprechen müssen.«
»Ja, mag sein«, sagte George. »Aber als ich mit ihm über den Tod von Wilkinson gesprochen habe, war es dasselbe.«
»Von Wilkinson möchte ich jetzt lieber nicht reden«, meinte Ballantine und blickte sich in dem inzwischen fast leeren Hörsaal um. Er lächelte einem Bekannten zu. »Thomas ist vielleicht bloß etwas überdreht.«
»Vielleicht«, sagte George ohne große Überzeugung. »Trotzdem glaube ich, daß wir mit dem noch Ärger haben werden.«
Cassi zog sich für ihren Besuch bei Patricia mit solcher Sorgfalt an, als wären sie sich noch nie vorher begegnet. Nach langem Zaudern wählte sie einen dunkelblauen Wollrock zu einer Jacke in derselben Farbe und eine ihrer hochgeschlossenenweißen Blusen. Gerade als sie gehen wollte, bemerkte sie den schauderhaften Zustand ihrer Fingernägel und begann, dankbar für den Aufschub, den alten Lack zu entfernen und neuen aufzutragen. Als die Nägel trocken waren, beschloß sie, daß ihr Haar so nicht bleiben konnte, also nahm sie alle Kämme und Nadeln heraus und arrangierte es neu.
Erst als ihr überhaupt kein Grund mehr einfiel, aus dem sie den Besuch noch weiter aufschieben konnte, verließ sie das Haus und überquerte den Hof. Es war schneidend kalt. Cassi konnte ihren Atem in der Luft zerfasern sehen. Sie klingelte an Patricias Tür, aber niemand kam, um zu öffnen. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und äugte durch ein kleines Fenster in der Tür, konnte jedoch nur ein paar Treppenstufen erspähen. Sie klingelte noch einmal; jetzt kam ihre Schwiegermutter die Treppe herunter und trat an das kleine Fenster.
»Was ist los, Cassandra?« rief sie.
Verblüfft von der Tatsache, daß Patricia nicht einfach öffnete, brachte Cassi im ersten Moment kein Wort über die Lippen. Unter den gegebenen Umständen war ihr nicht danach, den Anlaß ihres Besuches so ohne weiteres herauszubrüllen. Schließlich ertönte das Schnappen mehrerer Riegel, und die Tür wurde geöffnet. Einen Moment lang musterten die beiden Frauen einander mißtrauisch.
»Ja?« fragte Patricia schließlich.
»Entschuldigen Sie die Störung«, begann Cassi, ließ dem Anfang dann aber nichts mehr folgen.
»Sie stören mich nicht«, sagte Patricia.
»Dürfte ich
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