Gottspieler
geworden. »Was glauben Sie eigentlich, was Sie da tun?« fauchte er Robert an.
Unter anderen Umständen hätte Thomas für Robert ein gewisses Mitgefühl empfunden. Ein unerwarteter Vortrag paßte nicht in das dürre Protokoll seiner Exituskonferenz.
Thomas ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und bemerkte so manches wütende Gesicht. Die alte Geschichte – Ärzte mochten es nicht besonders, wenn man ihr Können in Frage stellte. Und es widerstrebte ihnen, sich gegenseitig zu überwachen.
»Wir sind nicht hier, um uns in Pathologie weiterzubilden«, schnappte Ballantine. »Sparen Sie sich Ihre Thesen für die Große Konferenz.«
»Ich dachte, es würde vielleicht etwas Licht auf den Fall von Mr. Wilkinson werfen …«
»Sie dachten«, wiederholte Ballantine sarkastisch. »Nur zu Ihrer Information, Sie sind hier als Gutachter. Hatten Sie vor, mit der von Ihnen präsentierten Liste sogenannter plötzlicher postoperativer Todesfälle irgend etwas Besonderes zum Ausdruck zu bringen?«
»Nein«, gab Robert zu.
Obwohl Thomas es vorzog, bei solchen Konferenzen seinen Mund zu halten, mußte er eine Frage stellen: »Entschuldigen Sie, Robert«, rief er. »Wurde bei allen siebzehn Fällen diese tiefe Blaufärbung festgestellt?«
Nichts kam Robert im Moment mehr zupaß als eine Frageaus dem Publikum. »Nein«, sagte er ins Mikrophon. »Nur bei fünf.«
»Das bedeutet doch, daß die physiologische Todesursache nicht bei allen dieselbe gewesen sein kann.«
»Das stimmt«, sagte Robert. »Sechs hatten kurz vorher heftige Krampfanfälle.«
»Wahrscheinlich infolge einer Luftembolie«, sagte einer der anderen Chirurgen.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Robert. »Zum einen ereigneten sich diese Krampfanfälle erst drei oder vier Tage nach der Operation. Eine derartige Verzögerung wäre nur schwer zu erklären. Darüber hinaus hat sich bei der Untersuchung des Gehirns keinerlei Luft angefunden.«
»Vielleicht ist sie absorbiert worden«, sagte ein anderer Arzt.
»Wenn genug Luft da gewesen wäre, um plötzliche Krampfanfälle mit anschließendem Exitus zu verursachen«, meinte Thomas, »dann hätte sie sich hinterher auch noch feststellen lassen.«
»Was ist mit den Chirurgen?« rief der Mann hinter Thomas. »Gab es welche, die öfter beteiligt waren als andere?«
»Acht der Fälle«, sagte Robert, »gehörten Dr. George Sherman.«
Überall brach lautes Getuschel aus. George sprang wütend auf die Füße, während Ballantine Robert vom Podium drängte.
»Wenn sonst niemand mehr etwas sagen möchte …«, rief Ballantine in den Raum.
George meldete sich zu Wort. »Ich denke, Dr. Kingsleys Kommentar war außerordentlich zwingend. Indem er darauf hingewiesen hat, daß bei all diesen Fällen verschiedene Todesursachen vorgelegen haben müssen, hat er auch anklingen lassen, daß kein Grund besteht, eine Verbindung zwischen den Fällen herzustellen.« Er warf Thomas einen fragenden Blick zu.
»Exakt«, sagte Thomas. Es wäre ihm lieber gewesen, George untergehen zu lassen wie einen Stein, aber er fühlte sich zu einer Antwort verpflichtet. »Ich dachte zuerst, Robert hätte die Fälle zueinander in Beziehung gesetzt, weil er in ihrem Tod gewisse Gemeinsamkeiten sah, aber das scheint ja nicht zuzutreffen.«
»Die Basis der gemeinsamen Beziehung«, schaltete sich Robert ein, »liegt darin, daß alle diese Patienten, besonders die in den letzten Jahren gestorbenen, sich auf bestem Weg befanden, wieder gesund zu werden, und daß es keinen anatomischen oder physiologischen Grund für ihren Tod gab.«
»Korrektur«, sagte George. »Die Pathologie hat die Todesursache lediglich nicht feststellen können.«
»Das läuft aufs gleiche hinaus«, meinte Robert.
»Nicht ganz«, widersprach George. »Die pathologische Abteilung eines anderen Krankenhauses wäre vielleicht in der Lage gewesen, etwas herauszufinden. Ich denke, diese Fälle sagen eher etwas über Sie und Ihre Kollegen aus als über irgend etwas anderes. Und anzudeuten, daß es bei einer solchen Serie operativer Tragödien nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte, ist geradezu verantwortungslos.«
»Hört, hört«, rief ein Fußchirurg und begann zu klatschen. Rasch verließ Robert das Podium. Die Atmosphäre im Raum war ziemlich gespannt.
»Die nächste Exituskonferenz findet in einem Monat, am siebenten Januar, statt«, sagte Ballantine, schaltete das Mikrophon aus und sammelte seine Papiere zusammen. Er verließ das Podium ebenfalls und
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