Gottspieler
gesellte sich zu Thomas.
»Sie scheinen den Burschen zu kennen«, sagte er. »Wer, zum Teufel, ist das?«
»Sein Name ist Robert Seibert«, sagte Thomas. »Er ist im zweiten Jahr.«
»Dem Kerl schneide ich die Eier ab, und dann stelle ich sie mir in Formalin auf den Schreibtisch. Was glaubt dieses kleineStück Scheiße denn, wer er ist? Kommt hier herauf und brummt herum wie eine sokratische Viehbremse!«
George Sherman trat zu ihnen, genauso erregt wie Ballantine.
»Ich habe seinen Namen«, sagte er mit einem drohenden Unterton, als enthülle er ein düsteres Geheimnis.
»Wir wissen schon, wie er heißt«, sagte Ballantine. »Er ist erst im zweiten Jahr.«
»Hervorragend«, sagte George. »Wir müssen uns also nicht nur mit irgendwelchen Feld-Wald-und-Wiesen-Philosophen herumschlagen, sondern auch noch mit Klugscheißern aus der Pathologie, die noch feucht hinter den Ohren sind.«
»Ich habe gehört, daß es letzten Monat auch in einem der Katheterräume einen Todesfall gegeben hat«, sagte Thomas, »in der Röntgenologie. Wie kommt es, daß darüber nicht gesprochen worden ist?«
»Ach, Sie meinen Sam Stevens«, sagte George nervös, wobei er Robert Seibert, der gerade den Raum verließ, böse Blicke nachschleuderte. »Da der Tod während der Katheterisierung eingetreten ist, wollten die Medizinmänner ihn bei ihrer eigenen Exituskonferenz behandeln.«
Während Thomas die beiden vor Wut kochenden Ärzte betrachtete, fragte er sich, was sie wohl sagen würden, wenn er ihnen erzählte, daß Cassi auch an dieser sogenannten PPT-Studie beteiligt gewesen war. Er hoffte, daß sie es im Interesse aller Betroffenen nie erfahren würden. Darüber hinaus hoffte er, daß Cassi vernünftig genug war, ihre Zusammenarbeit mit Robert nicht fortzusetzen. Das einzige, was dabei herauskommen konnte, war Ärger.
Cassi lag in einem völlig abgedunkelten Untersuchungsraum flach auf dem Rücken und fühlte sich so ungemütlich wie selten zuvor in ihrem Leben. Sie empfand zwar keine wirklichen Schmerzen, stand aber dicht davor, während Dr. Martin Obermeyer, der Direktor der Ophthalmologie, ihr mit einem grellen Lichtstrahl direkt ins linke Auge leuchtete. Schlimmer als die Unbequemlichkeit war ihre Angst davor, was der Arzt wohl sagen würde. Cassi wußte, daß sie ihr Problem mit dem linken Auge mehr als vernachlässigt hatte. Sie hoffte verzweifelt, daß Dr. Obermeyer irgend etwas Tröstliches sagte, während er sie untersuchte, aber er hüllte sich in unheilvolles Schweigen.
Immer noch ohne eine Silbe richtete er den Lichtstrahl auf ihr gesundes Auge. Der Strahl kam aus einem Apparat, den der Arzt, an einem Lederriemen befestigt, vor der Stirn trug, nicht unähnlich der Lampe eines Bergarbeiters, aber etwas komplizierter. Schon in ihrem linken Auge war Cassi die Intensität des Lichts sehr stark erschienen, aber als der Arzt den Strahl auf das rechte lenkte, wirkte es fast unbegreiflich, daß er nicht noch mehr Schaden anrichten sollte, als bereits vorlag.
»Bitte, Cassi«, sagte Dr. Obermeyer, hob den Strahl an und musterte sie unter den Okularen des Apparats hindurch. »Bitte halten Sie die Augen still.« Neuerlich senkte er den Lichtstrahl in ihre Pupillen.
Tränen stiegen Cassi in die Augen, und sie konnte spüren, wie sie überflossen und zu beiden Seiten des Gesichts hinunterliefen. Sie fragte sich, wie lange sie die Prozedur noch aushalten konnte. Unfreiwillig klammerte sie sich an die Kanten des Untersuchungstisches. Gerade in dem Moment, in dem sie glaubte, keine Sekunde mehr stilliegen zu können, erlosch das Licht, aber selbst nachdem Dr. Obermeyer die Lampe an der Decke wieder eingeschaltet hatte, vermochte Cassi nur undeutlich zu sehen. Verschwommen sah sie, wie sich der Arzt an seinen Schreibtisch setzte und zu schreiben begann.
Es beunruhigte sie, daß er so zurückhaltend war. Offensichtlich hatte er Anlaß, verärgert zu sein.
»Darf ich mich aufsetzen?« fragte sie zögernd.
»Ich weiß nicht, warum Sie mich überhaupt konsultieren«, sagte Dr. Obermeyer, »wenn Sie meinen Ratschlägen dochnicht Folge leisten.« Der Augenarzt sprach, ohne sich zu ihr umzudrehen.
Cassi richtete sich auf und schwang die Beine über die Kante des Tisches. Ihr rechtes Auge erholte sich langsam von dem Schock des grellen Lichts, aber ihr Gesichtsfeld blieb infolge der Tropfen zur Erweiterung der Pupillen immer noch leicht verschwommen. Einen Moment lang starrte sie auf Dr. Obermeyers Rücken und verdaute seine
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