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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Bemerkung. Sie hatte schon damit gerechnet, daß er verärgert sein würde, weil sie ihren letzten Termin abgesagt hatte, war aber nicht darauf vorbereitet gewesen, daß es so schlimm sein könnte.
    Erst als er mit dem Schreiben aufgehört und das Krankenblatt geschlossen hatte, wandte er sich Cassi wieder zu. Er saß auf einem niedrigen Stuhl mit Rollen, und jetzt schob er sich auf sie zu.
    Von ihrem Platz auf dem Untersuchungstisch konnte sie den schimmernden Fleck auf dem Kopf des Arztes sehen, wo sein Haar sich zu lichten begann. Mit seinen groben Gesichtszügen und der tiefen Kerbe mitten auf der Stirn war er nicht gerade ein Adonis, trotzdem aber im großen und ganzen nicht unattraktiv. Sein Gesicht strahlte Intelligenz und Aufrichtigkeit aus.
    »Ich denke, ich sollte offen mit Ihnen sein«, begann er. »Es gibt keine Anzeichen dafür, daß sich das Blutgerinnsel in ihrem linken Auge auflösen würde. Tatsächlich scheint es sogar, als wäre neues Blut hinzugekommen.«
    Cassi versuchte, sich ihren Schreck nicht anmerken zu lassen. Sie nickte, als diskutierten sie über einen fremden Patienten.
    »Ich kann die Netzhaut noch immer nicht sehen«, fuhr Dr. Obermeyer fort. »Deswegen weiß ich auch nicht, woher das Blut stammt oder ob wir es mit einer behandelbaren Schädigung zu tun haben.«
    »Aber der Ultraschalltest …«, begann Cassi.
    »Hat gezeigt, daß die Netzhaut sich noch nicht gelöst hat, jedenfalls im Moment; aber er kann nicht klären, woher das Blut kommt.«
    »Vielleicht sollten wir noch etwas abwarten.«
    »Wenn die Blutung sich bis jetzt nicht aufgelöst hat, ist es sehr unwahrscheinlich, daß sie überhaupt von selbst verschwindet. In der Zwischenzeit könnten wir aber die einzige Behandlungsmöglichkeit, die uns noch bleibt, verlieren. Cassi, ich muß einfach die Rückseite Ihres Auges sehen können. Wir kommen um eine Vitrektomie nicht herum.«
    Cassi senkte den Blick. »Das hat wohl nicht noch einen Monat oder so Zeit?«
    »Nein«, sagte Dr. Obermeyer. »Cassi, ich habe diese Sache auf Ihr Betreiben ohnehin schon länger hinausgeschoben, als ich wollte. Dann haben Sie Ihren letzten Termin abgesagt. Ich bin nicht sicher, ob Sie wirklich verstehen, was hier auf dem Spiel steht.«
    »Doch, das weiß ich schon«, widersprach Cassi. »Es kommt mir zur Zeit nur einfach ungelegen.«
    »Eine Operation kommt für niemand je gelegen«, sagte Dr. Obermeyer, »außer für den Chirurgen. Lassen Sie mich einen Termin festsetzen, damit wir diese Geschichte hinter uns bringen.«
    »Ich muß erst mit Thomas darüber sprechen«, sagte Cassi.
    »Was?« fragte Dr. Obermeyer überrascht. »Sie haben ihm noch nichts davon erzählt?«
    »Doch, doch«, antwortete Cassi rasch. »Wir haben nur über den Zeitpunkt noch nicht gesprochen.«
    »Und wann können Sie mit Thomas über den Zeitpunkt reden?« fragte Dr. Obermeyer resigniert.
    »Bald. Wahrscheinlich schon heute abend. Ich melde mich morgen wieder bei Ihnen, das verspreche ich.« Sie rutschte vom Untersuchungstisch und versuchte, sich wieder zu beruhigen.
    Als sie die Tür der Praxis von Dr. Obermeyer hinter sich schloß, verspürte sie eine Welle der Erleichterung. Tief im Inneren wußte sie, daß er recht hatte; sie sollte sich der Vitrektomie unterziehen. Aber es würde schwierig werden, es Thomas beizubringen. Am Ende des fünften Stocks im Behandlungsgebäude, demselben, in dem auch Thomas seine Praxis hatte, blieb sie stehen. Sie trat ans Fenster und starrte auf die Dezemberstadt mit ihren unbelaubten Bäumen und düsteren, dichtgedrängten Backsteinhäusern.
    Ein Ambulanzwagen raste die Commonwealth Avenue hinunter, das Rundumlicht auf dem Dach blitzte. Cassi schloß das rechte Auge, und das Bild verwandelte sich in eine helle Fläche, auf der nichts mehr zu erkennen war. In einem Anfall von Panik öffnete sie das Auge wieder, um der Welt die Rückkehr in ihren Kopf zu gestatten. Sie mußte etwas tun. Sie mußte mit Thomas sprechen, trotz der Schwierigkeiten, die sie seit ihrem Besuch bei Patricia hatten.
    Heute wünschte sie sich, jener Samstag vor zwei Wochen hätte nie stattgefunden. Oder wenigstens, daß Patricia Thomas nicht angerufen hätte. Aber natürlich wäre das zuviel verlangt gewesen. Sie hatte damit gerechnet, daß er kochend vor Wut nach Hause kam, aber nicht, daß er überhaupt nicht kommen würde. Um zehn Uhr dreißig hatte sie sich endlich dazu durchgerungen, seinen Auftragsdienst anzurufen. Da erst hatte sie erfahren, daß Thomas in den

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