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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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spürte, wie er wütend zu werden begann. Es war genauso, wie sie befürchtet hatte. Sie brauchte bloß über ihr Auge zu sprechen, und schon wurde ihr Verhältnis schlechter.
    »Davon abgesehen«, sagte Thomas, »gibt es eigentlich keine bessere Zeit, um über diese Geschichte zu reden? Ich habe da oben jemand liegen, der gerade im Begriff ist zu sterben. Das Problem mit deinem Auge hast du schon seit Monaten, und ausgerechnet, wenn ich mitten in einem Notfall stecke, tauchst du auf und willst es mit mir diskutieren. Mein Gott, Cassi, denk doch hin und wieder auch mal an andere, ja?«
    Thomas riß die Tür auf, trat hindurch und war verschwunden.
    Cassi dachte, daß er in mancher Hinsicht ja durchaus recht hatte. In seiner Praxis die Sprache auf dieses Thema zu bringen, war wirklich nicht gerade passend. Sie wußte, daß er die Wahrheit sagte, wenn er ihr erklärte, daß »da oben« jemand im Begriff sei zu sterben.
    Mit zusammengebissenen Zähnen marschierte sie aus dem Büro. Doris tat, als konzentriere sie sich völlig auf ihre Tipperei, aber Cassi war sicher, daß sie gelauscht hatte. Auf dem Weg zum Fahrstuhl beschloß Cassi, noch einmal nach Clarkson Zwei zurückzugehen. Dort würde sie wenigstens nicht auf unnötige Gedanken kommen. Außerdem konnte sie jetzt ohnehin noch nicht fahren, und zwar für eine ganze Weile.
    Als sie die Abteilung betrat, dauerte die Nachmittagskonferenz noch an. Sie hatte sich den Rest des Tages freigenommen, und war auch nicht in der Stimmung, jetzt der Gruppe gegenüberzutreten. Sie fürchtete, ihre mühsam aufrechterhaltene Fassung zu verlieren und in Tränen auszubrechen, sobald sie unter Freunden war.
    Dankbar für die unerwartete Gelegenheit, ihr Büro zu erreichen, ohne daß sie von jemand bemerkt wurde, schlüpfte sie rasch hinein und schloß die Tür hinter sich. Sie trat um den schmucklosen Schreibtisch aus Metall und Bakelit, der fast die ganze Länge des Zimmers einnahm, herum und ließ sich auf den alten Drehstuhl dahinter sinken. Sie hatte versucht, den kleinen Raum mit ein paar hellen Drucken französischer Impressionisten aufzuheitern, aber der Effekt war gleich Null. Mit seiner grellen Neonleiste an der Decke wirkte der Raum immer noch wie eine Verhörzelle.
    Sie stützte den Kopf in die Hände und versuchte zu denken, aber immer wieder kam sie auf ihre Probleme mit Thomas zurück. Sie war beinahe erleichtert, als sie von einem scharfen Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken gerissen wurde. Bevor sie etwas sagen konnte, wurde die Klinke heruntergedrückt und William Bentworth trat ein.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich eine Minute setze, Doktor?« fragte Bentworth mit völlig untypischer Höflichkeit.
    »Nein«, antwortete Cassi, überrascht, daß der Colonel sie von sich aus im Büro aufsuchte. Er trug eine weitgeschnittenedunkle Hose, ein kariertes Hemd und schwarze Schuhe, die glänzten, als hätte er gerade noch drauf gespuckt und sie dann mit dem Taschentuch poliert.
    Er lächelte. »Darf ich rauchen?«
    »Ja«, sagte Cassi. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte aufs Rauchen verzichtet, aber sie kam wohl nicht umhin, dieses Opfer zu bringen. Manche Menschen brauchten alle nur möglichen Hilfsmittel, damit sie sich öffnen und sprechen konnten. Nicht selten war der Vorgang des Zigarettenanzündens eine erhebliche Stütze. Bentworth lehnte sich zurück und lächelte. Zum erstenmal wirkten seine strahlend blauen Augen freundlich und warm. Er war ein gutaussehender Mann mit breiten Schultern, kräftigem dunklem Haar und scharfgeschnittenen Gesichtszügen.
    »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Doktor?« fragte er und beugte sich wieder vor, um ihr Gesicht genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Ich kann nicht klagen. Warum fragen Sie?«
    »Sie wirken etwas verstört.«
    Cassi warf einen Blick auf die Monet-Reproduktion gegenüber von ihrem Schreibtisch, ein kleines Mädchen mit seiner Mutter in einem Kornfeld. Sie versuchte sich zu konzentrieren. Es ängstigte sie ein wenig, daß ein Patient so scharfsichtig sein konnte.
    »Vielleicht fühlen Sie sich schuldig«, schlug Bentworth vor und achtete darauf, den Rauch von Cassi wegzublasen.
    »Und warum sollte ich mich schuldig fühlen?« fragte sie.
    »Weil Sie mir absichtlich aus dem Weg gegangen sind, wie ich glaube.«
    Cassi erinnerte sich an Jacobs Bemerkung über die Unbeständigkeit psychiatrischer Grenzfälle und versuchte, das derzeitige Benehmen des Colonels seiner früheren Weigerung, mit ihr zu

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