Gottspieler
Augenarzt. Er wollte operieren, aber ich weiß nicht, ob ich soll oder nicht.«
»Was sagt denn Ihr Mann dazu?« fragte Joan.
»Das ist ein weiteres Problem.« Im selben Moment, in dem sie das gesagt hatte, bereute Cassi es schon wieder. Sie wußte,daß Joan, sensibel und intelligent, wie sie war, sich schnell ihr eigenes Bild machen würde. Im Hinterkopf konnte sie hören, wie Thomas sie tadelte, weil sie wieder einmal über ihre gesundheitlichen Probleme gesprochen hatte.
Joan ließ Cassis Schulter los. »Ich glaube, Sie brauchen jemand, mit dem Sie reden können. Schließlich leite ich den Beratungsdienst der Abteilung. Und davon abgesehen kann sich meine Honorare wirklich jeder leisten.«
Cassi brachte ein schwaches Lächeln zustande. Instinktiv wußte sie, daß sie Joan vertrauen konnte. Sie brauchte jemand, der ihr den richtigen Weg zeigte, den sie allein nicht zu finden vermochte.
»Ich weiß nicht, ob Sie eine Ahnung davon haben, wie der Zeitplan meines Mannes aussieht«, begann sie. »Er arbeitet härter als jeder, den ich kenne. Man könnte fast glauben, er wäre noch als Assistenzarzt angestellt. Gestern hat er die ganze Nacht in der Klinik verbracht. Heute abend wird er ebenfalls hier bleiben. Er hat kaum Zeit für sich selbst …«
»Cassi«, unterbrach Joan sie fest. »Ich falle Ihnen nicht gern ins Wort, aber warum hören Sie nicht einfach auf, Entschuldigungen zu finden. Haben Sie mit Ihrem Mann über diese Operation gesprochen oder nicht?«
Cassi seufzte. »Vor einer Stunde habe ich versucht, ihn darauf anzusprechen, aber es war weder der rechte Ort noch die rechte Zeit.«
»Jetzt hören Sie mir mal zu«, sagte Joan. »Ich maße mir selten ein Urteil an, aber wenn es darum geht, eine Augenoperation mit seinem Ehemann zu besprechen, gibt es einfach keine falsche Zeit und keinen falschen Ort.«
Cassi versuchte, diese Bemerkung zu verdauen. Sie war nicht sicher, ob sie auch so dachte oder nicht.
»Was hat er gesagt?« fragte Joan.
»Er sagte, er sei kein Augenarzt.«
»Ah, er will sich aus der Verantwortung stehlen.«
»Nein«, sagte Cassi leidenschaftlich. »Er hat sogar dafür gesorgt, daß ich zum besten Ophthalmologen überhaupt gehe.«
»Trotzdem scheint es mir eine ziemlich gefühllose Reaktion zu sein.«
Cassi blickte auf ihre Hände hinunter und dachte, daß Joan zu intelligent für sie war. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Joan bei diesem Gespräch mehr in Erfahrung bringen würde, als ihr, Cassi, lieb wäre.
»Cassi«, fragte Joan jetzt, »ist zwischen Ihnen und Thomas eigentlich alles in Ordnung?«
Cassi spürte, wie ihre Augen sich erneut mit Tränen zu füllen begannen. Sie versuchte sie aufzuhalten, hatte aber nur begrenzten Erfolg.
»Das ist auch eine Antwort«, meinte Joan teilnahmsvoll. »Wollen Sie mir nicht reinen Wein einschenken?«
Cassi biß sich auf die Unterlippe. »Wenn meine Ehe mit Thomas zerbrechen würde«, sagte sie mit zitternder Stimme, »dann wüßte ich nicht, ob ich weiterleben könnte. Ich glaube, dann hätte alles keinen Sinn mehr. Ich brauche ihn so sehr.«
»Das merkt man Ihnen an. Und außerdem habe ich das Gefühl, daß Sie nicht wirklich über Ihr Problem reden wollen. Stimmt’s?«
Cassi nickte. Sie war hin und her gerissen zwischen ihrer Furcht vor Thomas und dem Schamgefühl, das es ihr bereitete, Joans Freundschaftsangebot zurückzuweisen.
»Okay«, sagte Joan. »Aber bevor ich gehe, möchte ich Ihnen noch einen Rat geben. Vielleicht ist es anmaßend von mir, das zu sagen, und ganz sicher ist es nicht sehr professionell, aber ich finde, Sie sollten Ihre Abhängigkeit von Thomas ein wenig reduzieren. Irgendwie scheinen Sie von sich nicht die Meinung zu haben, die Sie eigentlich haben sollten. Und eine derartige Abhängigkeit kann einer Beziehung auf lange Sicht schweren Schaden zufügen. So, ich glaube, jetzt reicht’s mit den unerbetenen Ratschlägen.«
Joan öffnete die Tür, drehte sich aber noch einmal um. »Sagten Sie, Ihr Mann bliebe heute nacht in der Klinik?«
»Ich glaube, er hat Bereitschaftsdienst«, sagte Cassi, noch völlig mit Joans Bemerkung über ihre Abhängigkeit beschäftigt. »Da übernachtet er dann meistens hier, um hinterher nicht noch fünfundvierzig Minuten lang unterwegs sein zu müssen.«
»Na, großartig!« rief Joan aus. »Warum kommen Sie dann heute abend nicht mit zu mir? Ich habe ein Sofabett im Wohnzimmer, und der Kühlschrank ist voll bis oben hin.«
»Und um Mitternacht wüßten
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