Gottspieler
Autopsien übliche Y-Schnitt war nachlässig vernäht und mit Pflastern zugeklebt worden.
»Ich habe sie gebeten, die Leiche noch nicht wegzuräumen, damit du dir etwas ansehen kannst«, sagte Robert. Seine Stimme hallte in dem gekachelten Raum.
Er ließ Cassi los und schob Jeoffry Washington den Daumen in den Mund, um den Unterkiefer herunterzuziehen. »Schau, hier!«
Die Hände im Rücken gefaltet, beugte sich Cassi vor und warf einen Blick in den Mund des Toten. Die Zunge sah aus wie Hackfleisch.
»Er muß wie verrückt darauf herumgekaut haben«, sagte Robert. »Alles läßt auf einen epileptischen Anfall schließen.«
Cassi richtete sich wieder auf. Ihr war ein wenig übel von dem, was sie gesehen hatte. Wenn es sich wirklich um einen PPT-Fall handelte, dann um den bisher jüngsten.
»Ich glaube, der hier ist an Arrhythmie gestorben«, sagte Robert, »aber sicher weiß ich das erst, wenn ich sein Gehirn untersucht habe. Weißt du, wenn ich solche Geschichten sehe, dann gehe ich nicht gerade beruhigt an meine eigene Operation.« Er streifte Cassi mit einem Seitenblick.
»Wann ist es denn soweit?« fragte Cassi.
Robert lächelte. »Du hast mir ja nie geglaubt, daß ich es wirklich tun würde, aber jetzt kannst du mal sehen. Morgen werde ich aufgenommen. Und du?«
»Das steht noch nicht fest«, sagte Cassi ausweichend.
»Du drückst dich wieder mal«, warf Robert ihr vor. »Warum läßt du dich nicht auch morgen oder übermorgen einweisen, dann können wir uns gegenseitig im Genesungszimmer besuchen.«
Cassi wollte Robert nichts davon erzählen, wie schwer es war, die Sache mit Thomas zu besprechen. Widerstrebend wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Leiche zu.
»Wie alt?« fragte sie mit einer auf Jeoffry Washington gemünzten Handbewegung.
»Achtundzwanzig.«
»Sie werden immer jünger. Und seit dem letzten Fall sind erst zwei Wochen vergangen.«
»Du sagst es.«
»Weißt du, je länger ich darüber nachdenke, desto verwirrender finde ich diese Fälle.«
»Was meinst du, warum ich so dahinter her bin?« fragte Robert.
»Wenn man bedenkt, wie viele es inzwischen sind und daß sie immer häufiger auftreten, fällt es immer schwerer, einfach nur an einen Zufall zu glauben.«
»Ganz deiner Meinung«, sagte Robert. »Seit dem letzten Fall werde ich den Verdacht nicht los, daß diese Todesfälle enger miteinander in Verbindung stehen, als wir ahnen. Die einzige Schwierigkeit dabei ist, daß wir ein spezielles Bindeglied brauchen, und wie dein Mann schon sehr richtig gesagt hat, sind fast alle Todesfälle physiologisch verschieden. Die Fakten passen nicht zu meiner Theorie.«
Cassi trat um den Tisch herum auf Jeoffrys rechte Seite. Sie streckte die Hand aus und strich über den linken Vorderarm der Leiche. »Sieht das nicht leicht geschwollen aus?«
Robert beugte sich vor. »Ich weiß nicht. Wo?«
»Hier. Hing der Patient am Tropf?«
»Ich glaube. Er hatte eine Venenentzündung und wurde deswegen mit Antibiotika versorgt.«
Cassi hob Jeoffrys linken Arm hoch und untersuchte die Stelle, wo die Injektionsnadel gesteckt hatte. Sie war gerötet und geschwollen. »Nur interessehalber, wie wär’s, wenn man ihm ein Stück der Vene entnehmen würde, in der die IV-Nadel gesteckt hat?«
»Ich tue alles, was du willst, wenn du mich dann öfter hier besuchst.«
Vorsichtig, als könnte der Tote es noch spüren, ließ Cassi den Arm wieder auf den Tisch sinken. »Weißt du zufällig, ob alle PPT-Fälle intravenös ernährt worden sind?«
»Ich habe keine Ahnung, aber das läßt sich ja herausfinden«, sagte Robert. »Ich kann mir ungefähr vorstellen, worauf du hinaus willst, und es gefällt mir nicht.«
»Der andere Vorschlag, den ich zu machen hätte, wäre, daß man die physiologischen Sterbevorgänge unter dem mechanischen Aspekt vergleicht und nach Gemeinsamkeiten sucht. Du weißt schon, was ich meine.«
»Ich weiß, was du meinst«, bestätigte Robert. »Vielleicht kann ich das sogar heute noch erledigen. Und ich besorge dir das Stück Vene, aber du mußt mir versprechen, dann auch heraufzukommen und es dir anzusehen. Einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte Cassi.
Als Cassi auf dem Gang vor der Pathologie den Fahrstuhlknopf drückte, wurde ihr auf einmal bewußt, daß sie sich vor der gleich stattfindenden Sitzung mit Maureen Kavenaugh fürchtete. Maureens Depression würde zweifellos auch auf ihre eigene abfärben, und die Tatsache, daß sie – wie Joan ihr erklärt hatte – allen
Weitere Kostenlose Bücher