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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Es wurde Geld gesammelt. Aber ungefähr ein Jahr nach unserer Einreise gerieten mein Vater und der Großrabbiner in Streit, und plötzlich hieß es hinter vorgehaltener Hand, mein Vater hätte die Ausreiseerlaubnis nur deshalb bekommen, weil er Mitglied des KGB war; er sei angeblich gar kein Jude und das Ganze sei nur ein Trick gewesen. Die Beschuldigungen waren erbärmlich, widersprüchlich und falsch und inzwischen auch mehr als fünfundzwanzig Jahre alt.
    Ich schüttelte den Kopf. »Also wollen sie beweisen, dass mein Vater beim KGB war.«
    »Ja.«
    Dieser verfluchte Jenrette. Langsam begriff ich. Ich war inzwischen so etwas wie eine Person des öffentlichen Lebens. Die Beschuldigungen würden mir auf jeden Fall schaden, selbst wenn sie sich irgendwann als falsch herausstellten. Ich hätte es wissen müssen. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte meine Familie aufgrund dieser Beschuldigungen fast alles verloren. Wir hatten Skokie verlassen und waren in den Osten nach Newark gezogen. Hinterher war die Familie nie wieder ganz die alte.
    Ich blickte auf. »Am Telefon hast du gesagt, du hättest damit gerechnet, dass ich dich anrufe.«
    »Wenn du mich nicht angerufen hättest, hätte ich dich im Lauf des Tages angerufen.«
    »Um mich zu warnen?«
    »Ja.«
    »Das heißt also«, sagte ich, »dass sie irgendwas gefunden haben.«
    Der große Mann antwortete nicht. Ich musterte sein Gesicht, und es war, als geriete meine ganze Welt, alles, an das ich bisher geglaubt hatte, ins Wanken.

    »Ist er beim KGB gewesen, Sosch?«, fragte ich.
    »Das ist lange her«, sagte Sosch.
    »Heißt das ja?«
    Sosch lächelte bedächtig. »Du begreifst nicht, wie das damals war.«
    »Und wieder frage ich dich: Heißt das ja?«
    »Nein, Pavel. Aber dein Vater … vielleicht hätte er es sein müssen.«
    »Und was soll das jetzt heißen?«
    »Weißt du noch, wie ich in dieses Land gekommen bin?«
    »Du hast für ein Reiseunternehmen gearbeitet.«
    »Das war die Sowjetunion, Pavel. Es gab keine Unternehmen. InTourist war eine Regierungsorganisation. Damals war alles in den Händen der Regierung. Verstehst du?«
    »Ich denke schon.«
    »Wenn die Regierung der Sowjetunion also die Möglichkeit hatte, jemanden langfristig nach New York zu schicken, glaubst du, sie hätte dann einen Mann ausgewählt, der am besten Ferienreisen buchen konnte? Oder hätte sie eher jemanden ausgewählt, der ihnen anderweitig von Nutzen sein kann?«
    Ich dachte an die Größe seiner Hände. Ich dachte an seine Kraft. »Also warst du beim KGB?«
    »Ich war Oberst beim Militär. Wir nannten es nicht KGB. Aber ja, ich denke, man hätte mich als …«, er malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, »… Spion bezeichnen können. Ich habe mich mit führenden amerikanischen Beamten getroffen. Ich habe versucht, sie zu bestechen. Die Leute denken immer, dass wir damals wichtige Dinge erfahren haben, durch die sich das Gleichgewicht der Mächte hätte verschieben können. Das ist Quatsch. Wir haben nichts Wichtiges erfahren. Niemals. Und die amerikanischen Spione haben auch nie etwas wirklich Wichtiges von uns erfahren. Wir haben Unsinn von einer Seite zur nächsten weitergegeben. Es war ein albernes Spiel.«

    »Und mein Vater?«
    »Die sowjetische Regierung hat ihn rausgelassen. Deine jüdischen Freunde denken immer noch, dass das daran lag, weil sie so viel Druck gemacht haben. Aber bitte. Wie konnten ein paar Juden in einer Synagoge in den Vereinigten Staaten ernsthaft glauben, dass sie genug Druck auf ein ausländisches Regime ausüben könnten, das sonst auf niemanden gehört hat? Das ist ja schon fast lächerlich, wenn man in Ruhe darüber nachdenkt.«
    »Und was willst du mir damit jetzt sagen?«
    »Ich will dir nur erzählen, wie es damals gewesen ist. Hat dein Vater versprochen, dass er der Regierung hilft? Natürlich. Aber er hat das nur getan, weil er das Land verlassen wollte. Das ist eine komplizierte Geschichte, Pavel. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es für ihn damals gewesen ist. Dein Vater war ein guter Arzt und ein noch besserer Mensch. Die Regierung hat Beschuldigungen in Umlauf gebracht, dass er Kunstfehler gemacht haben soll. Sie hat ihm die Approbation entzogen. Dann sind deine Großmutter und dein Großvater … mein Gott, Nataschas wunderbare Eltern … du bist zu jung, um dich an sie zu erinnern …«
    »Ich erinnere mich an sie«, sagte ich.
    »Wirklich?«
    Ich überlegte, ob das wirklich stimmte. Ich hatte dieses Bild von meinem

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