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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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müssen mir noch einen Gefallen tun«, sagte ich.
    »Schießen Sie los.«
    »Ich muss alles über eine Handynummer wissen. Wem das Telefon gehört hat, wer da angerufen hat, alles.«
    »Welche Nummer?«
    Ich nannte ihr die Nummer, die Raya Singh mir gegeben hatte.

    »Ich brauche zehn Minuten.«
    »Mehr nicht?«
    »Hey, ich bin nicht Chefermittlerin geworden, weil ich so einen knackigen Hintern habe.«
    »Wer sagt das?«
    Sie lachte. »Gefällt mir, wenn Sie ein bisschen locker werden, Cope.«
    »Gewöhnen Sie sich nicht zu sehr daran.«
    Ich legte auf. Meine Bemerkung war unangemessen gewesen  – oder war es eine vertretbare Entgegnung auf ihren »knackiger Hintern«-Spruch? Es ist leicht, sich über die politische Korrektheit lustig zu machen. Die Auswüchse machen sie zu einem leichten Ziel für Hohn und Spott. Aber ich habe auch erfahren, wie es in Büros aussieht, in denen man einfach alles durchgehen ließ. Es kann sehr unangenehm und bedrückend werden.
    Das ist ähnlich wie bei den scheinbar übertriebenen Kindersicherheitsbestimmungen heutzutage. Die Kinder müssen einen Fahrradhelm tragen, und zwar immer, wenn sie auf einem Fahrrad sitzen. Auf Spielplätzen muss ein bestimmter Mulch verwendet werden, und Abenteuerspielplätze dürfen nicht so gebaut sein, dass Kinder zu hoch hinaufklettern können, und, ach ja, Kinder ohne Begleitung dürfen sich nicht mehr als drei Straßen von zu Hause entfernen, und Moment, wo sind dein Mundschutz und deine Schutzbrille? Nichts ist leichter, als sich darüber lustig zu machen, und dann schickt noch irgend so ein Klugscheißer eine Rundmail, in der er fragt: »Hey, wie kommt’s eigentlich, dass wir auch ohne diese ganzen Regeln überlebt haben?« Die Wahrheit ist aber, dass viele Kinder aus unserer Generation nicht überlebt haben.
    Wir hatten damals unglaublich viele Freiheiten. Wir wussten nicht, welche Schrecken in der Dunkelheit auf uns lauerten. Manche sind in jenen Tagen, als die Sicherheitsbestimmungen noch lasch waren und man die Kinder einfach Kinder sein ließ,
in ein Ferienlager gefahren. Manche dieser Kinder sind nachts in den Wald geschlichen und wurden nie wieder gesehen.

    Lucy Gold rief in Sylvia Potters Zimmer an. Es ging niemand ans Telefon. Das überraschte sie nicht. Sie sah im Telefonverzeichnis der Universität nach, doch da waren keine Handynummern angegeben.
    Lucy erinnerte sich, dass sie Sylvia mit einem BlackBerry gesehen hatte, also schrieb sie Sylvia eine kurze Mail, dass sie so bald wie möglich bei ihr anrufen sollte.
    Nach nicht einmal zehn Minuten klingelte das Telefon.
    »Ich sollte Sie anrufen, Professorin Gold?«
    »Ja, Sylvia, danke, dass Sie sich so schnell gemeldet haben. Könnten Sie vielleicht bei mir im Büro vorbeikommen?«
    »Wann?«
    »Am besten jetzt, wenn das möglich ist.«
    Es folgte ein mehrere Sekunden langes Schweigen.
    »Sylvia?«
    »Mein Englischseminar fängt gleich an«, sagte sie. »Ich halte heute mein Abschlussreferat. Kann ich hinterher kommen, wenn ich damit fertig bin?«
    »Kein Problem«, sagte Lucy.
    »Dann bin ich in ungefähr zwei Stunden bei Ihnen.«
    »Prima, ich bin hier im Büro.«
    Wieder Schweigen.
    »Können Sie mir sagen, worum es geht, Professorin Gold?«
    »Das hat Zeit bis nachher, Sylvia. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sehen uns dann nach dem Seminar.«

    »Hey.«
    Es war Loren Muse. Ich war am nächsten Morgen wieder im
Gericht. Flair Hickory sollte in ein paar Minuten mit seinem Kreuzverhör anfangen.
    »Hey«, sagte ich.
    »Sie sehen ja echt Scheiße aus.«
    »Wow, ist das der geschulte Blick einer erfahrenen Kriminalpolizistin?«
    »Machen Sie sich Sorgen wegen diesem Kreuzverhör?«
    »Klar.«
    »Chamique schafft das schon. Sie haben tolle Vorarbeit geleistet.«
    Ich nickte und versuchte, mich wieder auf den Fall zu konzentrieren. Muse ging neben mir her.
    »Ach«, sagte sie, »die Handynummer, die Sie mir gegeben haben? Da hab ich schlechte Nachrichten.«
    Ich wartete.
    »Es ist ein Wegwerfhandy.«
    Was bedeutete, dass jemand das Handy mit voreingestellter Nummer und einem bestimmten Guthaben bar bezahlt und weder Namen noch Adresse hinterlassen hatte. »Mich interessiert auch nicht, wer es gekauft hat«, sagte ich. »Ich will nur wissen, welche Anrufe von dem Handy geführt und angenommen worden sind.«
    »Das ist schwierig«, sagte sie. »Und über die normalen Quellen ganz unmöglich. Der Käufer hat es im Internet bei einer zwielichtigen Quelle gekauft, die sich als eine andere

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