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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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das bei Mondlicht.
    Als ich P endlich fand und die komische Farbe auf seinem Hemd sah, erkannte ich zuerst gar nicht, was das war. Ich erkannte nicht einmal, dass es dunkelrot war, sondern hielt es am Anfang eher für ein strahlendes Blau. Er sah mich an. Mit weit aufgerissenen Augen.
    »Wir müssen hier weg«, sagte er. »Und wir dürfen niemandem erzählen, dass wir hier draußen gewesen sind.«
    Das war alles. Lucy las es noch zweimal. Dann legte sie den Bericht zur Seite. Lonnie beobachtete sie.
    »Na ja«, sagte er gedehnt, »also darf ich wohl davon ausgehen, dass du die Erzählerin in dieser kleinen Geschichte bist.«
    »Was?«
    »Ich hab versucht, die ganze Sache zu begreifen, Lucy, und ich bin auf genau eine einzige Erklärung für dein Verhalten gekommen.
Du bist das Mädchen in der Geschichte. Da schreibt jemand über dich.«
    »Das ist ja lächerlich«, sagte sie.
    »Komm schon, Luce. Wir haben da im Stapel Erlebnisberichte über Inzest liegen. Und selbst da haben wir nicht versucht rauszukriegen, von wem die sind. Und trotzdem regst du dich völlig über diese ›Der Schrei im Wald‹-Geschichte auf.«
    »Lass gut sein, Lonnie.«
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Süße, das ist nicht meine Art. Selbst wenn du keine obergeile Braut wärst und ich dir nicht an die Wäsche wollte.«
    Sie sparte sich die Antwort.
    »Ich würd dir gern helfen, wenn ich kann.«
    »Das kannst du nicht.«
    »Ich weiß mehr, als du glaubst.«
    Lucy sah ihn an.
    »Worüber sprichst du?«
    »Du, äh, wirst nicht sauer auf mich?«
    Sie wartete.
    »Ich habe ein paar Nachforschungen über dich angestellt.«
    Das Herz rutschte ihr in die Hose, aber sie verzog keine Miene.
    »Lucy Gold ist nicht dein richtiger Name. Du hast ihn geändert.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ach komm, Luce. Du weißt doch, wie einfach so was mit einem Computer ist.«
    Sie sagte nichts.
    »Irgendwie ist mir der Bericht nicht mehr aus dem Kopf gegangen«, fuhr er fort. »Und dann ist mir die Sache mit dem Lager wieder eingefallen. Ich war zwar noch ziemlich jung, aber ich kann mich noch an diese Sache mit dem Sommer-Schlitzer erinnern. Also hab ich mir das Ganze mal ein bisschen genauer
angeguckt.« Er versuchte, ihr großspurig zuzulächeln. »Du solltest wieder zu Blond wechseln.«
    »Es war eine schwierige Zeit in meinem Leben.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Deshalb habe ich meinen Namen geändert.«
    »Ach, soweit hab ich das schon verstanden. Das muss ein schwerer Schlag für deine Familie gewesen sein. Und du wolltest das Ganze hinter dir lassen.«
    »Ja.«
    »Und jetzt holt es dich aus irgendeinem seltsamen Grund wieder ein.«
    Sie nickte.
    »Aus welchem Grund?«, fragte Lonnie.
    »Weiß ich nicht.«
    »Ich würd dir gern helfen.«
    »Ich hab, wie gesagt, keine Ahnung, wie das funktionieren soll.«
    »Darf ich dich was fragen?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Ich hab ein bisschen nachgeforscht. Du weißt bestimmt, dass Discovery Channel vor ein paar Jahren eine Sondersendung über die Morde gemacht hat?«
    »Klar«, sagte sie.
    »Darin wird aber nicht erwähnt, dass du damals auch im Wald gewesen bist.«
    Sie sagte nichts.
    »Also, was ist hier los?«
    »Ich kann nicht darüber sprechen.«
    »Und dieser P, das ist Paul Copeland, stimmt’s? Weißt du, dass er jetzt Bezirksstaatsanwalt ist? Irgendwo in New Jersey?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du machst es mir aber echt nicht leicht«, sagte er.
    Sie schwieg.

    »Okay«, sagte er und erhob sich. »Ich werd dir trotzdem helfen.«
    »Und wie?«
    »Sylvia Potter.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Ich bring sie zum Reden.«
    »Wie das?«
    Lonnie ging zur Tür. »Ich hab da meine Mittel und Wege.«

    Auf dem Weg zum indischen Restaurant machte ich einen Umweg und besuchte Janes Grab.
    Ich wusste nicht genau, warum ich das tat. Ich kam nicht oft her – vielleicht dreimal im Jahr. Ich spürte die Gegenwart meiner Frau hier nicht. Sie hatte sich den Friedhof mit ihren Eltern zusammen ausgesucht. »Ihnen bedeutet das viel«, hatte sie mir auf ihrem Totenbett erklärt. Und das stimmte auch. Die Suche hatte ihre Eltern abgelenkt, besonders ihre Mutter, weil sie ihnen das Gefühl gab, etwas Sinnvolles zu tun.
    Mich hatte es nicht sonderlich interessiert. Ich war voll damit beschäftigt, Janes Sterben zu verleugnen – selbst als ihre Krankheit schlimmer und dann richtig schlimm wurde, habe ich mir noch eingeredet, sie würde schon irgendwie durchkommen. Und für mich ist der Tod das Ende, der

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