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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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fehlst uns«, sagte ich zu meiner toten Frau. »Cara und ich, wir vermissen dich sehr.«
    Dann stand ich auf und ging zurück zu meinem Wagen.

16
    Raya Singh wartete auf dem Parkplatz des Restaurants auf mich. Sie hatte das aquamarinfarbene Kostüm gegen Jeans und eine dunkelblaue Bluse getauscht. Die Haare waren zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Die Wirkung war nicht weniger betörend. Ich schüttelte den Kopf. Eben hatte ich noch am Grab meiner Frau gestanden. Jetzt bewunderte ich in ungebührlicher Weise die Schönheit einer jungen Frau.
    Die Welt war schon absonderlich.
    Sie setzte sich auf den Beifahrersitz. Raya duftete fantastisch.
    »Wohin?«, fragte ich.
    »Kennen Sie die Route 17?«
    »Ja.«
    »Darauf und dann nach Norden.«
    Ich bog vom Parkplatz auf die Straße. »Werden Sie mir jetzt die Wahrheit sagen?«
    »Ich hab Sie nicht belogen«, sagte sie. »Ich hatte nur beschlossen, Ihnen bestimmte Dinge erst mal vorzuenthalten.«

    »Wollen Sie immer noch behaupten, dass Sie Mr Santiago einfach auf der Straße kennengelernt haben?«
    »Das will ich.«
    Ich glaubte ihr nicht.
    »Hat er je den Namen Perez erwähnt?«
    Sie antwortete nicht.
    Ich hakte nach. »Gil Perez?«
    »Sie müssen hier rechts ab, wenn Sie auf die Route 17 wollen.«
    »Ich weiß, wo ich hin muss, Raya.«
    Ich sah ihr perfektes Profil an. Sie sah aus dem Fenster und war dabei zum Sterben schön.
    »Erzählen Sie mir, in welchem Zusammenhang er meinen Namen erwähnt hat«, sagte ich.
    »Das hab ich Ihnen doch schon erzählt.«
    »Dann erzählen Sie es mir noch mal.«
    Sie holte tief Luft und schloss einem Moment lang die Augen.
    »Manolo hat gesagt, dass Sie gelogen haben.«
    »Worüber habe ich gelogen?«
    »Über irgendwas …«, sie zögerte, »… wo es um Wald ging oder so was.«
    Mein Herz fing an zu rasen. »Das hat er gesagt? Dass es um Wald ging?«
    »Ja.«
    »Wie war der genaue Wortlaut?«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Versuchen Sie, sich zu erinnern.«
    »›Paul Copeland hat gelogen über das, was da im Wald passiert ist.‹« Dann legte sie den Kopf schräg. »Ach, Moment, da war noch was.«
    Ich wartete.
    Als sie dann wieder etwas sagte, wäre ich fast von der Straße abgekommen. Sie sagte: »Lucy.«

    »Was?«
    »Das war der andere Name. Er hat gesagt: ›Paul Copeland hat gelogen über das, was da im Wald passiert ist. Genau wie Lucy.‹«
    Jetzt hatte es mir die Sprache verschlagen.
    »Paul«, sagte Raya, »wer ist diese Lucy?«

    Den Rest der Fahrt schwiegen wir.
    Meine Gedanken kreisten um Lucy. Ich versuchte, mich zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte, wenn ich ihr über die blonden Haare strich, und wie die damals geduftet hatten. Aber es funktionierte nicht. Das war das Problem. Die Erinnerungen waren so verschwommen, dass ich nicht wusste, was echt war und was meiner Fantasie entsprang. Ich konnte mich nur noch an das Staunen erinnern, in das die Situation mich damals versetzt hatte. Und an die Lust. Es war für uns beide das erste Mal, wir waren unerfahren und ungeschickt, trotzdem war es wie in einem Bob-Seeger-Song oder in Meat Loafs Bat out of Hell. Herrgott, diese Lust. Wie hatte es damals angefangen? Und wann ist aus dieser Lust so etwas wie Liebe geworden?
    Sommerromanzen enden mit dem herannahenden Herbst. Das liegt in ihrer Natur. Wie manche Pflanzen oder Insekten überleben sie nur eine einzige Saison. Ich hatte damals gedacht, bei Luce und mir würde das anders sein. Das war es dann auch, aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte wirklich gedacht, wir würden ewig zusammenbleiben.
    Ach, die Jugend ist so dumm.
    Santiagos AmeriSuites -Einzimmerwohnung war in Ramsey, New Jersey. Raya hatte einen Schlüssel. Sie schloss die Tür zu einem Zimmer im zweiten Stock auf. Ich könnte Ihnen die Einrichtung beschreiben, sie war aber so unscheinbar, dass sie keinen bleibenden Eindruck hinterließ. Die Möbel waren genauso
individuell, wie man es von einer Einzimmerwohnung an einer Straße namens Route 17 im nördlichen New Jersey erwarten konnte.
    Als wir eintraten, schnappte Raya hörbar nach Luft.
    »Was ist?«, fragte ich.
    Sie ließ den Blick durchs ganze Zimmer streichen. »Da lag ein großer Haufen Papiere auf dem Tisch«, sagte sie. »Ordner, Zeitungen und so. Und ein paar Stifte.«
    »Jetzt ist er leer.«
    Raya öffnete eine Schublade. »Seine Sachen sind auch weg.«
    Wir durchsuchten das Zimmer. Alles war verschwunden – es gab weder Papiere noch Ordner oder

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