Grabesgrün
Manche könnten behaupten, mein Junge, das ganze Gerede sollte einzig dafür sorgen, dass die Häuser mehr Geld einbrachten, als man von einer Siedlung am Arsch der Welt erwarten würde. Ich behaupte das natürlich nicht. Ich habe ja keine Beweise.«
Er kippte seinen Brandy hinunter und blickte dann versonnen auf das leere Glas. »Ich sage nur, irgendwas stimmt mit dem Kaff nicht, schon immer. Wissen Sie, dass es bei den Bauarbeiten fast dreimal mehr Verletzte und Todesfälle gab als im Landesdurchschnitt? Halten Sie es für möglich, mein Junge, dass so ein Ort einen eigenen Willen hat, dass er sozusagen gegen menschliches Missmanagement rebelliert?«
»Man kann Knocknaree ja viel nachsagen«, warf ich ein, »aber es hat Katy Devlin jedenfalls nicht die verdammte Plastiktüte über den Kopf gestülpt.« Ich war froh, dass Sam Kiely am Hals hatte und nicht ich. Normalerweise finde ich solche Absurditäten unterhaltsam, aber so, wie ich mich in der Woche fühlte, hätte ich dem Kerl vermutlich einen Tritt gegen das Schienbein verpasst.
»Was hast du geantwortet?«, wollte Cassie von Sam wissen. »Ich hab gesagt, ja, klar«, erwiderte er ernst, während er sich abmühte, Fettuccine auf die Gabel zu drehen. »Ich hätte auch ja gesagt, wenn er gefragt hätte, ob ich glaube, dass grüne Männchen unser Land regieren.«
Kiely hatte seine dritte Runde getrunken – Sam würde noch Spaß kriegen, wenn er versuchte, das als Spesen abzurechnen –, schweigend, das Kinn auf die Brust gesenkt. Schließlich hatte er seinen Mantel angezogen, Sam lang und energisch die Hand geschüttelt und geraunt: »Schauen Sie es sich erst an, wenn Sie an einem sicheren Ort sind.« Dann war er aus dem Pub gefegt, und Sam hatte gemerkt, dass der Journalist ihm ein zusammengedrehtes Stück Papier zugesteckt hatte.
»Der arme Kerl«, sagte Sam und kramte in seiner Brieftasche. »Ich glaube, er war froh, dass ihm endlich mal einer zugehört hat. So wie der drauf ist, könnte er wahrscheinlich eine Story lauthals ausposaunen, und niemand würde ihm auch nur ein Wort glauben.« Er holte etwas Kleines, Silbernes hervor, hielt es behutsam zwischen Finger und Daumen und gab es dann Cassie. Ich legte meine Gabel hin und beugte mich über Cassies Schulter.
Es war ein Stück Silberpapier, wie man es aus einer frisch angebrochenen Zigarettenschachtel zieht, eng aufgerollt. Cassie drehte es auseinander. Auf der Rückseite stand: »Dynamo – Kenneth McClintock. Futura – Terence Andrews. Global – Jeffrey Barnes & Conor Roche.«
»Bist du sicher, er ist glaubwürdig?«, fragte ich.
»Er ist ein totaler Spinner«, sagte Sam, »aber ein guter Reporter, zumindest damals. Er hätte mir die Namen bestimmt nicht gegeben, wenn er sich nicht ganz sicher wäre.«
Cassie strich mit der Fingerkuppe über das Stück Papier. »Wenn die hier stimmen«, sagte sie, »ist das die beste Spur, die wir bisher haben. Gut gemacht, Sam.«
»Er ist anschließend in ein Auto gestiegen«, sagte Sam leicht besorgt. »Ich hätte ihn vielleicht nicht mehr fahren lassen sollen, bei dem, was er intus hatte, aber ... könnte schließlich sein, dass ich nochmal mit ihm reden muss, ich muss ihn mir warmhalten. Ob ich ihn lieber mal anrufe und frage, ob alles in Ordnung ist?«
Der nächste Tag war Freitag, zweieinhalb Wochen nach Beginn der Ermittlungen, und am frühen Abend rief O'Kelly uns in sein Büro. Draußen war es unangenehm kühl, aber dank der Sonne, die durch die großen Fenster hereinströmte, war es im SOKO-Raum schön warm, sodass man hätte meinen können, es wäre immer noch Sommer. Sam saß in seiner Ecke, und wenn er nicht gerade mit gedämpfter Stimme telefonierte, machte er sich irgendwelche Notizen. Cassie war mit einer Personenabfrage am Computer beschäftigt. Ich und zwei Fahnder hatten für alle Kaffee geholt und verteilten die Becher. Es herrschte das eifrige, unruhige Gemurmel eines Klassenzimmers. O'Kelly steckte den Kopf zur Tür herein, schob sich Zeigefinger und Daumen in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus. Als Stille eintrat, sagte er: »Ryan, Maddox, O'Neill«, deutete ruckartig mit dem Daumen über die Schulter und knallte die Tür wieder zu.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich die Sonderfahnder verstohlene Blicke zuwarfen. Wir hatten schon seit zwei Tagen damit gerechnet, zumindest ich. Ich hatte die Szene im Kopf durchgespielt, auf dem Weg zur Arbeit und unter der Dusche und sogar im Schlaf, sodass ich manchmal vom Argumentieren
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