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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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beschmiert, aber eher harmloses Zeug – LIVERPOOL IST TOP, MARTINA LIEBT CONOR, JONESY IST SCHWUL, und wie es aussah hauptsächlich mit Edding. Fast putzig im Vergleich zu dem, was man so in den richtig harten Vierteln zu sehen kriegt. Wenn ich aus irgendeinem Grund meinen Wagen hier über Nacht hätte stehen lassen müssen, wäre ich nicht in Panik geraten.
    Sandra kam an die Tür. Einen Moment lang war ich unsicher. Sie sah nicht so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie gehörte zu den Mädchen, die früh erblühen und innerhalb weniger Jahre einfach nur verwelken und aus der Form geraten. In meiner verschwommenen Vorstellung von ihr war sie drall und üppig wie ein reifer Pfirsich, mit schimmernden, rotgoldenen 80er-Locken, doch die Frau an der Tür war dick und schlaff, mit einem müden, misstrauischen Ausdruck im Gesicht und gefärbten Haaren, die wie mattes Messing wirkten. Das Gefühl, etwas verloren zu haben, versetzte mir einen kurzen, kleinen Stich. Ich hoffte beinahe, dass sie es nicht war.
    Dann sagte sie: »Sie wünschen?« Ihre Stimme war tiefer und klang leicht heiser, aber ich kannte den angenehmen, hauchigen Ton. ( »Na, wer von den beiden ist denn dein Typ?« Ein glitzernder Fingernagel bewegte sich von mir zu Peter, während Jamie den Kopf schüttelte und »Iiiih!« sagte. Sandra hatte gelacht, die Füße von der Mauer gehoben. »Du änderst deine Meinung noch früh genug!«)
    »Ms Sandra Scully?«, sagte ich. Sie nickte argwöhnisch. Offenbar sah sie uns an, dass wir Polizisten waren, noch ehe wir unsere Ausweise gezeigt hatten, und sie wappnete sich innerlich. Irgendwo im Haus brüllte ein kleines Kind und schlug auf Metall. »Ich bin Detective Ryan, und das ist Detective Maddox. Sie würde gern mal kurz mit Ihnen reden.«
    Ich spürte, wie Cassie sich neben mir fast unmerklich bewegte, das Signal registrierte. Wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, hätte ich »wir« gesagt, und wir wären beide mit ihr die routinemäßigen Katy-Devlin-Fragen durchgegangen, bis ich mich in die eine oder andere Richtung entschieden hätte. Aber ich war mir sicher, und Sandra war bestimmt gesprächiger, wenn kein Mann dabei war.
    Sandras Mundpartie verhärtete sich. »Geht’s um Declan? Sie können der blöden Kuh nämlich sagen, ich hab ihm die Stereoanlage nach dem letzten Mal weggenommen, und wenn sie immer noch was hört, dann sind das die Stimmen in ihrem Kopf.«
    »Nein, nein, nein«, sagte Cassie freundlich. »Darum geht’s nicht. Wir arbeiten an einem alten Fall, und wir dachten, Sie könnten sich vielleicht noch an das eine oder andere erinnern, was uns weiterhelfen würde. Darf ich reinkommen?«
    Sie musterte Cassie lange, dann zuckte sie kapitulierend die Achseln. »Was bleibt mir anderes übrig?« Sie trat zurück, öffnete die Tür ein Stück weiter. Ich roch Gebratenes.
    »Danke«, sagte Cassie. »Ich will versuchen, Ihre Zeit nicht allzu lang in Anspruch zu nehmen.« Als sie ins Haus ging, warf sie einen Blick über die Schulter und zwinkerte mir beruhigend zu. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

    Sie blieb lange weg. Ich saß im Wagen und rauchte Kette, bis mir die Zigaretten ausgingen. Dann kaute ich auf den Fingernägeln, trommelte Eine kleine Nachtmusi k auf dem Lenkrad und pulte mit dem Autoschlüssel Dreck aus dem Armaturenbrett. Ich ärgerte mich schwarz, dass ich nicht daran gedacht hatte, Cassie zu verdrahten oder so, nur für den Fall, dass sich eine Situation ergab, wo es hilfreich wäre, wenn ich dazukäme. Nicht, dass ich ihr misstraute, aber nicht sie war damals dabei gewesen, sondern ich, und Sandra schien im Laufe der Zeit ein ziemlich harter Knochen geworden zu sein, und ich war mir nicht ganz sicher, ob Cassie die richtigen Fragen stellen würde. Ich hatte die Fenster runtergekurbelt und konnte das Kind im Haus noch immer brüllen und toben hören. Dann Sandras Stimme, lautstark, dann ein Klatschen, und das Kind plärrte los, eher vor Wut als vor Schmerz. Ich erinnerte mich an ihre hübschen, kleinen weißen Zähne, wenn sie lachte, an das geheimnisvolle schattenhafte Tal in ihrem V-Ausschnitt.
    Nach Stunden, so kam es mir zumindest vor, hörte ich die Tür zufallen, und Cassie kam flott die Einfahrt herunter. Sie stieg in den Wagen und atmete tief durch. »Okay. Du hattest absolut recht. Zuerst wollte sie nicht darüber reden, aber dann ...«
    Das Herz hämmerte mir in der Brust, und ich wusste nicht, ob aus Triumphgefühl oder Panik. »Was hat sie

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