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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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sie in der Schule nur gehänselt ...«
    Sein Lächeln erstarb, und er blickte weg. Ich wusste, dass meine Chance gekommen war, jetzt, wo er mich nett fand. »Es sind wunderschöne Namen«, sagte ich. Er nickte geistesabwesend. »Noch was: Sagen Ihnen die Namen Cathal Mills und Shane Waters was?«
    »Wieso?«, fragte Jonathan. Ich meinte, einen Funken Argwohn in seinen Augen wahrzunehmen.
    »Die Namen sind im Zuge unserer Ermittlungen aufgetaucht.«
    Seine Augenbrauen senkten sich jäh, und ich sah, dass sich seine Schultern versteiften wie bei einem Kampfhund. »Stehen sie unter Verdacht?«
    »Nein«, sagte ich mit Nachdruck. Selbst wenn, hätte ich es ihm nicht gesagt – nicht nur, weil es ohnehin gegen die Vorschriften wäre, sondern auch, weil er einfach zu unberechenbar war. Wütend und extrem angespannt: Wenn er unschuldig war, zumindest an Katys Tod, dann hätte ein Hauch von Unsicherheit in meiner Stimme schon genügt, und er wäre bei den beiden wahrscheinlich mit einer Uzi im Anschlag vor der Haustür aufgekreuzt. »Wir gehen lediglich jedem Hinweis nach. Erzählen Sie mir etwas über sie.«
    Er starrte mich kurz an, dann senkte er die Schultern und lehnte sich zurück. »Wir waren früher befreundet. Aber wir haben uns schon vor Jahren aus den Augen verloren.«
    »Wann hat die Freundschaft angefangen?«
    »Als unsere Familien hierherzogen. Muss 1974 gewesen sein. Wir waren die ersten drei Familien in der Siedlung, am oberen Ende – der Rest war noch im Bau. Wir hatten die ganze Gegend für uns. Wir haben auf den Baustellen gespielt, wenn die Arbeiter Feierabend hatten. Das war wie ein riesiges Labyrinth. Da waren wir so acht, neun Jahre alt.«
    Irgendetwas in seiner Stimme, irgendein nostalgischer Unterton, machte mir bewusst, was für ein einsamer Mann er war. Nicht erst jetzt, nicht erst seit Katys Tod. »Und wie lange hielt die Freundschaft?«, fragte ich.
    »Schwer zu sagen. Unsere Wege trennten sich, als wir neunzehn waren, so um den Dreh, aber wir hatten noch eine Weile länger Kontakt. Wieso? Warum fragen Sie das?«
    »Wir haben zwei Zeugen«, sagte ich mit betont ausdrucksloser Stimme, »die ausgesagt haben, dass Sie, Cathal Mills und Shane Water an der Vergewaltigung eines Mädchens aus der Siedlung hier beteiligt waren.«
    Er fuhr kerzengerade auf und ballte die Hände zu Fäusten. »Was – was hat das denn mit Katy zu tun? Beschuldigen Sie mich etwa – verdammt nochmal!«
    Ich blickte ihn nur kühl an und sagte dann: »Sie haben die Behauptung nicht zurückgewiesen.«
    »Ich habe auch nichts zugegeben. Brauche ich jetzt einen Anwalt?«
    Kein Anwalt der Welt würde ihn auch nur ein weiteres Wort sagen lassen. »Hören Sie«, sagte ich, beugte mich vor und schlug einen lockeren, vertraulichen Ton an: »Ich bin beim Morddezernat, nicht für Sexualdelikte zuständig. Ich interessiere mich nur dann für eine zwanzig Jahre zurückliegende Vergewaltigung, wenn –«
    »Angebliche Vergewaltigung.«
    »Von mir aus, angebliche Vergewaltigung. Wie auch immer, die Sache kümmert mich nur, wenn sie irgendwas mit einem Mord zu tun hat. Mehr will ich nicht rausfinden.«
    Jonathan schnappte nach Luft, um etwas zu sagen. Einen Moment lang dachte ich, er wollte mich auffordern zu gehen. »Damit eins klar ist«, sagte er. »Ich habe keins meiner Mädchen je angefasst. Niemals.«
    »Niemand beschuldigt Sie –«
    »Schon als Sie das erste Mal hier waren, haben Sie gewisse Andeutungen gemacht, und ich kann Unterstellungen nicht leiden. Ich liebe meine Töchter. Ich umarme sie, wenn ich ihnen gute Nacht sage. Mehr nicht. Ich habe keine von ihnen jemals unsittlich berührt, wie man sagt. Ist das klar?«
    »Sonnenklar«, sagte ich, bemüht, nicht sarkastisch zu klingen.
    »Gut.« Er nickte, ein jähes, knappes Zucken. »So, zu der anderen Sache: Ich bin nicht blöd, Detective Ryan. Nur mal angenommen, ich hätte etwas getan, was mich in den Knast bringen könnte, warum sollte ich Ihnen das erzählen?«
    »Hören Sie«, sagte ich ernst, »wir ziehen die Möglichkeit in Betracht« – Danke, Cassie – »dass das Opfer irgendetwas mit Katys Tod zu tun haben könnte, als Rache für die Vergewaltigung.« Seine Augen wurden groß. »Es ist bloß ein vager Verdacht, und wir haben keinerlei greifbaren Beweis, daher möchte ich der Sache nicht zu großes Gewicht beimessen. Vor allem möchte ich nicht, dass Sie in irgendeiner Form Kontakt zu ihr aufnehmen. Wenn wir am Ende doch etwas in der Hand haben, könnte das die ganze

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