Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
zeichnen.«
    »Donnerwetter«, sagte Cassie ehrfurchtsvoll. »Und Sie haben die gefunden? Wenn ich so was finden würde, ich glaub, ich würde explodieren oder einen Herzinfarkt kriegen oder so.«
    Ich warf einen Blick über ihre Schulter: ein breiter Kreis, mit einer Art Anstecknadel quer auf der Rückseite, verziert mit fließenden, gleichmäßigen Schnörkeln.
    »Hübsch«, sagte ich. Damien war in der Tat Linkshänder, Seine Hände wirkten noch immer zu groß für seinen Körper, wie die Pfoten eines jungen Hundes.

    »Hunt können wir ausschließen«, sagte O'Kelly auf dem Flur. »Laut seiner ersten Aussage hat er mit seiner Frau am Montag bis spät abends vor der Glotze gesessen, bis elf, als er ins Bett ging. Dokumentarfilme haben sie sich angeguckt, einen über Meerkatzen und einen über Richard III. – er hat uns den ganzen Inhalt von vorn bis hinten erzählt, ob wir’s hören wollten oder nicht. Seine Frau sagt das Gleiche, und die Fernsehzeitung bestätigt es. Und der Nachbar hat einen Hund, so einen Köter, der die ganze Nacht durchbellt. Er sagt, er hat gehört, wie Hunt so gegen ein Uhr morgens aus dem Fenster ›Ruhe‹ geschrien hat. Wieso hat der Typ seinen Kläffer nicht selbst zur Ruhe gebracht ... Er ist sich mit dem Datum sicher, weil er an dem Tag Handwerker dahatte – er hat eine neue Veranda anbauen lassen und meint, durch den ganzen Krach wäre sein Hund völlig durch den Wind gewesen. Ich schicke diesen Einstein nach Hause, bevor er mich noch völlig verrückt macht. Es sind also nur noch zwei im Rennen, Leute.«
    »Wie kommt Sam mit Mark voran?«, fragte ich.
    »Gar nicht. Hanly ist stinksauer und bleibt bei seiner Geschichte mit der Freundin, die seine Aussage bestätigt. Wenn beide lügen, sind sie vorläufig nicht zu knacken. Und er ist eindeutig Rechtshänder. Was ist euer Bursche?«
    »Linkshänder«, sagte Cassie.
    »Dann ist er unser aussichtsreichster Kandidat. Aber das allein genügt nicht. Ich hab mit Cooper gesprochen ...« O'Kelly zog ein angewidertes Gesicht. »Wahrscheinliche Position des Opfers, wahrscheinliche Position des Täters und so weiter. Es läuft jedenfalls darauf hinaus, dass er zwar glaubt , unser Mann ist Linkshänder, aber nicht bereit ist, sich eindeutig festzulegen. Der reinste Politiker, verdammt. Wie hält sich Donnelly?«
    »Er ist nervös«, sagte ich.
    O'Kelly schlug mit der flachen Hand gegen die Tür des Verhörraums. »Gut. Sorgt dafür, dass er das auch bleibt.«

    Wir gingen wieder hinein und fingen an, Damien nervös zu machen. »Okay«, sagte ich und rückte mit meinem Stuhl näher an den Tisch, »kommen wir zur Sache. Reden wir über Katy Devlin.«
    Damien nickte aufmerksam, aber ich sah, dass er sich innerlich wappnete. Er nahm einen Schluck Tee, obwohl der inzwischen kalt sein musste.
    »Wann haben Sie sie das erste Mal gesehen?«
    »Ich glaube, als wir den Hügel zwei Drittel hoch waren. Jedenfalls höher als die Hütte und die Container. So wie der Hang sich neigt –«
    »Nein«, fiel Cassie ihm ins Wort, »nicht an dem Tag, als Sie die Leiche gefunden haben. Davor.«
    »Davor?« Damien blinzelte sie an, nahm wieder einen Schluck Tee. »Nein – ähm, davor nicht. Nicht vor dem Tag.«
    »Sie hatten sie vorher noch nie gesehen?« Cassies Tonfall war unverändert, aber ich spürte die plötzliche Vorstehhundstille in ihr. »Sind Sie sicher? Denken Sie gut nach, Damien.«
    Er schüttelte vehement den Kopf. »Nein. Ich schwöre. Ich hatte sie vorher noch nie in meinem ganzen Leben gesehen.«
    Stille trat ein. Ich bedachte Damien mit einem Blick, der, wie ich hoffte, mildes Interesse ausdrückte, aber die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich.
    Ich hatte auf Mark getippt, nicht, um gegensätzlicher Meinung zu sein, und auch nicht, weil ich etwas gegen ihn hatte. Ich glaube, in Anbetracht der gegebenen Alternativen wollte ich im Grunde einfach nur, dass er es war. Ich hatte Damien von Anfang an nicht ernst nehmen können – nicht als Mann, nicht als Zeugen und schon gar nicht als Tatverdächtigen. Er war so ein erbärmlicher Schwächling, nichts als Locken und Gestammel und Verletzlichkeit, dass man ihn wie eine Pusteblume hätte wegblasen können. Der Gedanke, dass jemand wie er uns den ganzen letzten Monat auf Trab gehalten haben könnte, war einfach ungeheuerlich. Mark war als Gegner und Ziel lohnenswerter.
    Aber das hier: Es war eine so sinnlose Lüge. Die Devlin-Mädchen hatten sich in dem Sommer andauernd an der Ausgrabungsstätte

Weitere Kostenlose Bücher