Grabesgrün
Gelände sollte unter Denkmalschutz gestellt werden. Es ist einmalig, und es gehört uns, und die Regierung hat kein Recht, es einfach zu zerstören, ohne uns auch nur zu fragen. Hier in Knocknaree gibt es eine Bürgerinitiative, ›Verlegt die Schnellstraße‹. Ich bin der Vorsitzende, ich hab sie ins Leben gerufen. Wir machen Kundgebungen vor Regierungsgebäuden, schreiben Briefe an Politiker – obwohl es nichts nützt.«
»Keine Reaktion?«, fragte ich. Es beruhigte ihn, über diese Sache zu reden. Und ich war fasziniert: Er hatte auf mich den Eindruck eines mutlosen Kleinbürgers gemacht, kein Mann, der einen Kreuzzug anführte, aber offenbar steckte mehr in ihm, als ihm anzusehen war.
»Ich hab gedacht, es läge nur an diesen Bürokraten, die nie was ändern wollen. Aber diese Anrufe haben mich ins Grübeln gebracht ... Der erste kam spät nachts, und der Kerl sagte irgendwas wie: ›Du blöder Scheißkerl, du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst.‹ Ich dachte, der hat sich verwählt, und hab einfach aufgelegt. Aber dann kam der zweite.«
»Wann war der erste Anruf?«, hakte ich nach. Cassie schrieb mit.
Jonathan sah zu Margaret hinüber. Die schüttelte den Kopf und tupfte sich die Augen trocken. »Irgendwann im April, Ende April, vielleicht. Der zweite war am dritten Juni, nachts gegen halb eins – das hab ich mir aufgeschrieben. Katy war zuerst am Telefon – wir haben keinen Apparat im Schlafzimmer, nur auf dem Flur, und sie hat einen leichten Schlaf. Als sie sich meldete, sagte er, ›Bist du die Tochter von Devlin?‹, und sie hat gesagt, ›Ich bin Katy‹, und er hat gesagt, ›Katy, sag deinem Vater, er soll die verdammte Schnellstraße in Frieden lassen, ich weiß nämlich, wo ihr wohnt.‹ Dann hab ich ihr den Hörer aus der Hand genommen, und er hat gesagt, ›Nettes kleines Mädchen hast du da, Devlin‹, oder so ähnlich. Ich hab gesagt, er soll bloß nicht nochmal anrufen, und hab aufgelegt.«
»Erinnern Sie sich an die Stimme?«, fragte ich. »Akzent, Alter, irgendwas? Kam sie Ihnen irgendwie bekannt vor?«
Jonathan schluckte. Er konzentrierte sich jetzt mit aller Macht, klammerte sich an das Thema wie an einen Rettungsring. »Nein, bekannt ist sie mir nicht vorgekommen. Nicht jung. Eher hell. Der Typ klang ... ich dachte, dass er wahrscheinlich betrunken war.«
»Gab es weitere Anrufe?«
»Einen noch, vor ein paar Wochen. Am dreizehnten Juli, zwei Uhr morgens. Derselbe Kerl hat gesagt, ›Kannst du –‹« Er schaute zu Jessica hinüber. Rosalind hatte einen Arm um sie gelegt, wiegte sie sacht und raunte ihr beruhigend ins Ohr. »›Kannst du verfickter Arsch nicht hören? Ich hab dich gewarnt. Du solltest die verfickte Schnellstraße in Ruhe lassen. Das wirst du bereuen. Ich weiß, wo ihr wohnt.‹«
»Haben Sie das der Polizei gemeldet?«, fragte ich.
»Nein«, sagte er schroff. Ich wartete auf eine Erklärung, aber es kam keine.
»Waren Sie nicht beunruhigt?«
»Offen gestanden«, sagte er, und auf seinem Gesicht lag eine entsetzliche Mischung aus Trauer und Trotz, »ich hab mich gefreut. Ich dachte, wir hätten endlich was bewegt. Wer auch immer der Anrufer war, er hätte sich nicht die Mühe gemacht, wenn unsere Bürgerinitiative keine echte Gefahr dargestellt hätte. Aber jetzt ...« Plötzlich beugte er sich weit zu mir vor und starrte mir in die Augen, die Fäuste zusammengepresst. Ich musste den Impuls unterdrücken, mich nach hinten zu lehnen. »Wenn Sie rausfinden, wer der Anrufer war, sagen Sie’s mir. Sagen Sie’s mir. Geben Sie mir Ihr Wort.«
»Mr Devlin, ich verspreche Ihnen, wir werden mit allen Mitteln versuchen, den Anrufer aufzuspüren, um herauszufinden, ob er irgendetwas mit Katys Tod zu tun hat«, sagte ich, »aber ich kann nicht –«
»Er hat Katy Angst gemacht«, sagte Jessica mit leiser, tonloser Stimme. Ich glaube, wir schreckten alle zusammen. Es kam genauso überraschend, als hätte einer der Sessel einen Kommentar von sich gegeben. Ich hatte mich schon gefragt, ob sie autistisch war oder behindert oder so.
»Wirklich?«, fragte Cassie ruhig. »Was hat sie denn gesagt?«
Jessica blickte sie an, als wäre die Frage völlig unverständlich. Ihre Augen glitten erneut weg: Sie zog sich wieder in ihre kleine verschlossene Welt zurück.
Cassie beugte sich vor. »Jessica«, sagte sie betont sanft, »gibt es noch jemanden, vor dem Katy Angst hatte?«
Jessicas Kopf schwankte leicht, und sie bewegte den Mund. Eine dünne Hand hob sich und
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