Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
alten Männer an der Theke wurden unruhig, wandten die Gesichter langsam Richtung Bildschirm und setzten die Gläser ab. »Katharine wurde seit dem frühen Dienstagmorgen von ihren Eltern, die in der Nähe des Fundorts wohnen, vermisst. Die Polizei hat bestätigt, dass von einem Verbrechen ausgegangen werden muss, und bittet die Bevölkerung um Mithilfe.« Die Hotline-Nummer lief am unteren Rand über den Bildschirm, weiße Schrift auf blauem Grund. »Orla Manahan ist live für uns vor Ort.«
    Schnitt auf eine Blondine mit Betonfrisur und Hakennase, die vor dem Altarstein stand, der eigentlich nichts tat, was nach einer Liveberichterstattung verlangte. Erste Zeichen der Trauer waren bereits abgelegt worden: Blumen in buntem Zellophan, ein rosa Teddybär. An einem Baum im Hintergrund flatterte einsam ein Stück Polizeiabsperrband, das Sophies Leute übersehen hatten.
    »An dieser Stelle wurde gestern Morgen die Leiche der kleinen Katy Devlin gefunden. Trotz ihrer Jugend war Katy in der überschaubaren Gemeinde von Knocknaree eine richtige Berühmtheit. Sie hatte gerade einen Platz an der Royal Ballet School erhalten, wo sie in nur wenigen Wochen ihre Ausbildung hätte beginnen sollen. Der tragische Tod des Mädchens, auf das alle so stolz waren, hat die Anwohner tief erschüttert.«
    Eine wackelige Handkamera zeigte eine alte Frau mit geblümtem Kopftuch vor Lowrys Laden. »Ach, es ist schrecklich.« Lange Pause, während sie kopfschüttelnd nach unten blickte und ihr Mund sich weiter bewegte. Hinter ihr fuhr ein Junge auf einem Fahrrad vorbei und glotzte in die Kamera. »Es ist einfach furchtbar. Wir alle beten für die Familie. Wie kann man einem so wunderbaren kleinen Mädchen bloß so etwas Schreckliches antun?« Von den alten Männern an der Theke war leises, zorniges Gemurmel zu hören.
    Zurück zu der Blondine. »Aber vielleicht ist das nicht der erste gewaltsame Tod, den Knocknaree erlebt. Vor Tausenden von Jahren, so vermuten Archäologen, war dieser Stein« – sie hob den Arm wie eine Immobilienmaklerin, die eine Einbauküche anpreist – »ein Opferstein, auf dem Druiden möglicherweise Menschen opferten. Heute Nachmittag entzog die Polizei jedoch allen Spekulationen, Katys Tod könnte das Werk einer religiösen Sekte sein, den Boden; dafür gebe es keine Anhaltspunkte.«
    Schnitt auf O'Kelly vor einer imposanten Stellwand mit dem Polizeisiegel darauf. Er trug ein scheußliches kariertes Jackett, das auf dem Bildschirm aussah, als würde es von ganz allein flimmern. Er räusperte sich und leierte unsere komplette Liste herunter, inklusive der nicht gefundenen toten Nutztiere. Cassie hielt mir die offene Hand hin, ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen, und ich zückte einen Fünfeuroschein.
    Zurück zu dem orangegetönten Moderator. »Und Knocknaree birgt noch ein weiteres Geheimnis. Im Jahre 1984 verschwanden zwei Kinder aus dem Ort, die ...« Auf der Mattscheibe erschienen die alten abgenutzten Schulfotos: Peter, der frech unter seinem Pony hervorgrinste, Jamie – sie hasste Fotos –, die unsicher in die Kamera lächelte, den Erwachsenen zuliebe.
    »Jetzt geht’s los«, sagte ich bemüht locker und trocken.
    Cassie trank einen Schluck Kaffee. »Wirst du es O'Kelly sagen?«, fragte sie.
    Ich hatte darauf gewartet, und ich kannte sämtliche Gründe, warum sie das fragen musste, aber es traf mich trotzdem wie ein Stromstoß. Ich sah rasch zu den Männern an der Theke hinüber. Sie blickten noch immer gebannt zum Fernseher. »Nein«, sagte ich. »Nein. Sie würden mich sofort von dem Fall abziehen. Aber ich muss ihn behalten, Cass.«
    Sie nickte, langsam. »Ich weiß. Aber wenn er es rausfindet?«
    Wenn er es rausfand, hatten wir eine gute Chance, wieder bei der Streife zu landen oder zumindest aus dem Dezernat zu fliegen. Ich hatte den Gedanken daran tunlichst verdrängt. »Er findet es nicht raus«, beteuerte ich. »Wie auch? Und wenn doch, sagen wir, du hattest keine Ahnung.«
    »Das glaubt er nicht eine Sekunde. Und überhaupt, darum geht’s nicht.«
    Unscharfe alte Filmaufnahmen von einem Polizisten und seinem hyperaktiven Schäferhund, die im Wald verschwinden. Ein Taucher, der sich aus dem Fluss hievt und den Kopf schüttelt. »Cassie«, sagte ich. »Ich weiß, worum ich dich da bitte. Aber ehrlich, ich darf den Fall nicht verlieren. Ich bau schon keinen Mist.«
    Ich sah ihre Wimpern zucken und merkte, dass mein Tonfall wohl verzweifelter gewesen war, als ich gewollt hatte. »Wir wissen doch

Weitere Kostenlose Bücher