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Grabeskaelte

Grabeskaelte

Titel: Grabeskaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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der Verlegerin? War das nicht eine Spur zu abenteuerlich? Er selbst konnte momentan keine zwingende Logik in alledem sehen. Er musste unbedingt in Erfahrung bringen, was in dem Manuskript stand. ›Um der Wahrheit willen‹, sinnierte er. Was konnte Cora nur damit gemeint haben? Wie sollte er bloß Rüdiger etwaige Zusammenhänge glaubhaft erklären, ohne dass dieser ihn für verrückt hielt? Alles was ihn antrieb war die hartnäckige Stimme seines Unterbewusstseins – und die hatte ihn schon so manches Mal weitergeholfen.
    „Sag mal, was um alles in der Welt brütest du denn aus?“ Rüdigers Stimme brachte Henning in die Gegenwart zurück. Mit knappen Worten legte er seinem Freund die Fakten und seine daraus gezogenen Schlussfolgerungen dar. Am Ende seines Berichts angelangt, spiegelte seine eigene Skepsis sich auch in Rüdigers Augen wider. Es gab nur einen Weg, um sich Klarheit zu verschaffen …

6
    Wenige Tage später saß Henning in seinem zehn Jahre alten Passat und war auf dem Weg zu Ralph Birkner. Als er diesmal den Kiesweg zum Haus entlang ging, summte und zwitscherte es bereits un-überhörbar in den Zweigen der alten Korkenzieherweide die im Vorgarten des Grundstücks stand. Der Frühling war eingezogen.
    Ralph, der gerade die Haustür öffnete, schien davon noch nichts mitbekommen zu haben. Henning erschrak, als er ihn erblickte. Er sah um Jahre gealtert aus. Seine Augen wirkten eingefallen und farblos. Sie hatten den Blick eines gehetzten Tieres. Statt einer Begrüßung meinte Ralph: „Seit Ihrem Anruf gestern Abend frage ich mich, was mir die Ehre Ihres Besuchs verschafft?“ Henning fühlte sich plötzlich unbehaglich. „Versprechen Sie sich nicht allzu viel davon. Sie müssen bedenken, dass ich pensioniert bin. Normalerweise dürfte ich daher also gar nicht hier sein. Aber da haben sich Dinge ereignet, die in Zusammenhang mit Ihrer Frau stehen könnten. Doch das sind bisher nur Vermutungen. Es gibt da noch einige Punkte, über die ich mir gerne abschließende Klarheit verschafft hätte. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich auf eigene Faust ermittle?“
    „Sie können jederzeit mit mir rechnen. Seit Coras Tod bin ich nicht mehr ich selbst. Ich kann mich noch immer nicht mit ihrem Selbstmord abfinden. Und dass Sie heute hierher gekommen sind, kann nur eines bedeuten: Auch Sie glauben nicht daran, haben den Verdacht, dass etwas anderes dahinter stecken könnte. So ist es doch, stimmt’s?“
    Henning nickte nur. Was sollte er auch sagen. Er folgte Ralph ins Haus. Diesmal führte er ihn in Coras Arbeitszimmer. Alles war so, wie Ralph es ihm am Telefon berichtet hatte. Der Schreibtisch war leer geräumt. Die Türen standen offen und in den aufgeschobenen Schubladen herrschte gähnende Leere. Ralph bot dem Kommissar, für ihn war er das noch immer, einen Platz in Coras Schaukelstuhl an. Er selbst zog sich einen Hocker heran. In der nächsten halben Stunde berichtete Henning ihm alles, was er an Fakten und Vermutungen aufzuweisen hatte. Ralph hörte ungläubig zu.
    „Dann wäre es ja Mord gewesen! Jemand hätte Cora ihres Manuskripts wegen umgebracht und es dann wie einen Selbstmord erscheinen lassen – so ist es doch, wenn ich Sie richtig verstanden habe.“
    „So könnte es gewesen sein“, verbesserte ihn Henning, „sicher ist das noch längst nicht. Ich bitte Sie deshalb auch darum, Stillschweigen über unser Gespräch zu wahren. Im Übrigen kann ich ohnehin nur mit Ihrer Hilfe versuchen dem Ganzen auf die Spur zu kommen. Ich habe schließlich keinerlei rechtliche Handhabe für mein Tun. Wenn meine ehemaligen Kollegen spitzkriegen, dass ich hier auf eigene Faust ermittle, kann ich in Teufels Küche kommen, verstehen Sie? Alles muss streng vertraulich bleiben!“
    „Ich werde schweigen wie ein Grab, darauf können Sie sich verlassen. Sagen Sie mir nur, was ich tun soll.“
    „Als Erstes würde ich mich hier einmal gründlich umsehen wollen. Dann bräuchte ich eine Liste all der Personen, mit denen Cora verkehrte. Vielleicht fällt Ihnen dabei ja doch noch jemand ein, mit dem sie über ihr Manuskript gesprochen haben könnte. Das wäre wirklich sehr wichtig! Ja, und dann würde ich ihren Laptop gerne mit nach Leibzig nehmen. Wir haben dort ein ausgezeichnetes Expertenteam. Das könnte versuchen, die gelöschten Dateien wiederherzustellen. Im Falle der ermordeten Verlegerin hatten wir damit ja auch Erfolg. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es ihnen gelingt, auch Coras Laptop

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