Grabeskaelte
intensiver roch es in dem düsteren Treppenhaus nach Kohlsuppe. Laute Rockmusik, Henning tippte auf die „Toten Hosen“, drang aus dem Inneren von Herta Sieberts Wohnung. Henning fragte sich, ob man bei dem ohrenbetäubenden Lärm sein Klingeln überhaupt hörte. Doch nach einer Weile ging die Tür tatsächlich auf und gab den Blick auf eine ältere ausgezehrte Frau frei. Sie trug einen fleckigen Morgenmantel und ihre nackten Füße steckten in ausgetretenen Pantoffeln. Ihr rötlich gefärbtes Haar hing ihr in fettigen Strähnen ins Gesicht.
„Was’n los?“ Bei diesen Worten wehte Henning eine gewaltige Schnapsfahne entgegen.
„Ich suche Uwe. Ist er da?“
„Uwe!“ Mit lauter, sich überschlagender Stimme rief Herta Siebert nach ihrem Sohn.
Die Musik verstummte. Kurz darauf erschien Uwe Siebert hinter seiner Mutter, die sich schwankend am Türrahmen aufrecht hielt. Unsanft schob er sie beiseite und baute sich vor Henning auf. Die Hände in die Seiten gestemmt knurrte er: „Wüsste nicht, dass wir uns kennen, was willst’n von mir?“
„Mein Name ist Lüders, Henning Lüders. Es gibt da etwas, worüber wir reden müssen.“ Henning fühlte sich unwohl in seiner Haut. Er versuchte sein Gegenüber einzuordnen. Das was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Uwe war nur mit einem Unterhemd und einer Jogginghose bekleidet. Seine muskulösen Oberarme waren mit Tätowierungen übersät. Auf seiner Stirn prangte eine drei Zentimeter große rote Narbe. Er hatte grobe Züge und wirkte gewaltbereit. Sein Blick, aus Augen so kalt und blau wie das Polarmeer, schien Henning durchbohren zu wollen. „Wüsste nicht, was ich mit dir zu reden hätte.“
Des Kommissars Miene drückte kämpferische Entschlossenheit aus: „Es geht um Kirstin Liebermann. Ich schätze, Sie wissen wer das ist. Ich hätte da noch ein paar Fragen.“ Mit Blick auf Herta Siebert, die sich nur noch mühsam aufrecht hielt, fragte Henning: „Gibt es hier einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können?“
„Ich denk nicht im Traum daran, mich mit dir zu unterhalten.“ Nach diesen Worten hakte Uwe seine Mutter unter und zog sie hinter sich her. Bevor er die Tür schließen konnte, gelang es Henning den Fuß dazwischen zu bekommen. Wieder einmal bluffte er:
„Das würde ich mir noch mal gut überlegen. Oder ziehen Sie etwa eine Vorladung auf der Polizeiwache einem Gespräch mit mir unter vier Augen vor?“ Das Wort Polizei ernüchterte Uwe schlagartig. „Bist du etwa ein Bulle?“
„Könnte man so sagen“, wich Henning einer klaren Antwort aus. „Ich schlage vor, Sie ziehen sich was über und wir beide machen einen Spaziergang.“
Wenig später standen die beiden Männer auf der Straße. Uwe hatte sich eine blaue Strickmütze auf seinen kurz geschorenen Schädel gesetzt und eine Bomberjacke übergestreift. Missmutig stapfte er neben Henning her. „Möchte mal wissen“, er blieb nach wie vor beim Du, „was dich an der alten Kamelle interessiert. Ist doch schon Ewigkeiten her.“
Ohne auf Uwes Bemerkung einzugehen fragte Henning: „Zu dem Klassentreffen morgen, gehen Sie da auch hin?“
Abrupt blieb Uwe stehen. Es war ihm anzusehen, dass er überrascht war. „Woher weißt’n das?“ „Ich weiß so manches. Begehen Sie besser nicht den Fehler mich zu unterschätzen. Bis jetzt habe ich noch immer bemerkt, wenn einer versucht mich hinters Licht zu führen. Also probieren Sie’s lieber erst gar nicht. Ich stelle Ihnen meine Fragen und Sie beantworten sie wahrheitsgemäß, dann haben Sie nichts zu befürchten, einverstanden?“ Uwe nickte.
„Also was ist, gehen Sie nun hin?“
„Wüsste nicht, was ich da sollte.“ Henning half ihm auf die Sprünge: „Ich dachte vielleicht liegt Ihnen ja daran, alte Bekannte zu treffen. Gute alte Bekannte“, fügte er hinzu „wie zum Beispiel Maik Dölz.“
„Bist wohl doch nicht so clever wie ich dachte. Sonst wüsstest du nämlich, dass Maik nicht kommen kann. Der kommt nirgends mehr hin.“ Sein Daumen wies nach oben und er fügte hinzu: „Mein Kumpel hatte einen Unfall, mit seinem Motorrad. Schädelbasisbruch, da war nichts mehr zu machen.“
Henning schluckte. Damit hatte er nicht gerechnet. „Also gut, eins zu null für Sie.“
Nachdem sie die Ampelkreuzung beim Kino überquert hatten steuerten sie die Klingenthaler Straße an.
„Was dagegen, dem Friedhof einen Besuch abzustatten?“, fragte der Kommissar.
Uwe stöhnte auf. „Darum geht’s also! Hätt’ ich mir ja
Weitere Kostenlose Bücher