Grabeskaelte
Rascheln von Laub. Maik hörte es auch. Wir ließen alles stehen und liegen und machten, dass wir fort kamen.“
„Und wie weiter?“
„Was und wie weiter? Wir sind abgehauen! Das hab’ ich doch gerade gesagt.“
„Konntet ihr wenigstens sehen, wer da noch war?“
„Keine Ahnung. Wir sind gerannt, als wär der Leibhaftige hinter uns her.“
„Und danach?“
„Am nächsten Tag hatten uns dann erst mal die Bullen am Wickel. Irgendjemand muss denen gesteckt haben, dass wir uns nachts auf dem Friedhof herumtrieben. Deshalb tippten sie gleich auf uns. Unterstellten uns, das wir der Leiche das Herz herausgeschnitten hätten. Aber damit hatten wir nichts zu schaffen. Jedenfalls konnten sie uns letztendlich nichts nachweisen und ließen uns gehen. Aber es dauerte nicht lange und die Cops standen erneut auf der Matte. Diesmal, um uns den Tod von Kirstin anzuhängen. Und das alles nur, weil auch ihr Herz – auf die gleiche Weise wie bei der Leiche in der Gruft – entnommen wurde.“
„Wissen Sie noch, wer Sie verhört hat?“
„Und ob ich das noch weiß. Das war dieser Kotzbrocken, dieser Corte. Der hätte uns wohl am liebsten im Knast gesehen. Aber dem hab’ ich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich wusste nämlich, dass er’s mit Kirstin getrieben hat. Hat sie mir selbst erzählt, etwa zwei Wochen vor ihrem Tod.“
„Moment mal, Sie behaupten also, die beiden hatten ein Verhältnis?“
„Nee, kein Verhältnis. Die Kirstin, die hat’s jedem besorgt, der gut dafür zahlte. Na ja, manchmal hat sie auch ’ne Ausnahme gemacht. Für gute Bekannte, wie mich zum Beispiel. Ich musste nicht dafür blechen, wenn sie für mich die Beine breit machte. Aber solche Schleimer wie den Corte, die hat sie richtig zur Kasse gebeten. Kurz bevor sie starb hat sie mir sogar gesteckt, dass sie ihn erpresst. Er war Bulle und sie minderjährig. Schätze, das hätte eingeschlagen wie ’ne Bombe! Tja und alles, was ich noch tun musste, als es mir zu bunt wurde, war, diesem Corte mein Wissen unterzujubeln. Der hat vielleicht dämlich aus der Wäsche geguckt, als ich ihm sagte, dass ich von Kirstin und ihm wüsste. Hab’ gleich noch eins draufgesetzt und ihn gefragt, welches Strafmaß auf Verführung Minderjähriger steht. Aber darauf wollte er’s natürlich nicht ankommen lassen. Er hat schnell kapiert und uns fortan mit Samthandschuhen angefasst. Hat dann ja auch nicht mehr allzu lange gedauert und sie hatten das Schwein gefasst, das Kirstin auf dem Gewissen hatte.“
Henning konnte kaum glauben, was er da zu hören bekam. Mehr zu sich als an Uwe gewandt meinte er: „Da kam dieser Hannes Lambrecht als Täter ja genau zur rechten Zeit ins Spiel, schätze mal, dass es sonst für diesen Corte ganz schön eng geworden wäre.“
Uwe zuckte gelangweilt die Achseln. „Was interessierts mich.“ Bevor er sich eine weitere Zigarette anzündete fragte er: „Wenn das alles war, was du wissen wolltest, dann kann ich jetzt doch sicher verduften, oder?“
Henning dachte nach. „Im Moment habe ich erst mal keine weiteren Fragen. Aber für den Fall, das sich das ändert, wo kann ich Sie dann erreichen?“
„Ich bin noch zwei Wochen hier, weißt ja wo du mich da findest. Dann fahr’ ich wieder zur See. Aber um ehrlich zu sein, leg ich nicht den geringsten Wert drauf mich noch mal mir dir zu unterhalten.“
Henning überhörte den letzten Satz. „Eine Frage hätte ich noch. Wo waren Sie am dritten März?“
Uwe dachte nach. „Auf hoher See schätze ich mal. Muss in der Nähe von Kap Horn gewesen sein. Weshalb willst’n das wissen?“
Henning winkte ab. „Nicht so wichtig. Sie können jetzt gehen.“
9
Als Henning den Friedhof verließ, fing es an zu regnen. Es war schon nach zwei. Sein Magen knurrte. Er überlegte, wo er um diese Zeit etwas Essbares bekommen könnte. Automatisch lenkte er seine Schritte in Richtung Zentrum. Nachdem er sich in einem Drogeriemarkt in der Nicolai-
straße einen Schirm und ein paar Meter weiter an einem Imbissstand eine paar Wiener und ein Wernesgrüner gekauft hatte, begab er sich auf die Suche nach Roman Caspari. Die Adresse, die er in seinem Notizbuch nachschlug, sagte ihm nichts. Aber er erinnerte sich, dass Senta Glaser etwas von einem Patenonkel Coras erzählt hatte, der in der Nähe des Friedhofs wohnte. Im nunmehr strömenden Regen machte er sich erneut auf den Weg dorthin. Diesmal wählte er allerdings eine andere, ihm kürzer erscheinende Route. Er folgte einem unbefestigten,
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