Grabeskaelte
damals die Ermittlungen geführt hat?“ Senta dachte nach.
„Ja, ich weiß sogar noch seinen Namen. Ein unsympathischer Mensch ist das gewesen, er hieß Corte, Kommissar Corte. Ich weiß das deshalb noch so genau, weil ich schon einmal mit ihm zu tun hatte. Deshalb bestand ich auch darauf, dabei zu sein, als er Cora nach Kirstin befragte. Der hatte so einen Blick, als wenn er dich mit den Augen ausziehen wollte – ein richtiger Schleimer war das. Daran erinnere ich mich noch genau.“
„War Ihnen auch der Täter bekannt, dieser Hannes Lambrecht?“
„Hannes, na und ob. Den kannte doch jeder hier. Für meine Begriffe war das ein ganz Harmloser. Ich konnte kaum glauben, dass er so einen brutalen Mord verübt haben sollte. Hannes wohnte den Sommer über in der Laubenkolonie. Er hat sich sein Brot durch Gelegenheitsarbeiten verdient, hat mal da den Rasen gemäht und dort mal den Zaun gestrichen. Außerdem war er technisch versiert. Ich weiß noch wie mein Mann ihn mal geholt hat, um unseren Rasenmäher zu reparieren. Es hatte sich herumgesprochen, dass das seine Spezialität war. Und was soll ich Ihnen sagen. Hannes hat’s hingekriegt, hat noch seine Späße mit Cora gemacht. Irgendwie war er sogar liebenswert auf seine Art. Sicher, er hatte was gegen geregelte Arbeitszeiten, hat lieber mal geschnorrt. Aber als Herumtreiber, wie man ihn dann bezeichnete, würde ich ihn dennoch nicht beschreiben. Der Hannes hat einfach dazugehört.“ Interessiert hatte Henning Sentas ausgiebigem Bericht gelauscht.
„Sie würden ihn also nicht als gewalttätig einstufen?“, fragte er noch einmal, nur um sich zu vergewissern, dass kein Irrtum vorlag.
„Auf keinen Fall! Ich hätte da schon eher auf die beiden Halbstarken getippt, die zuerst unter Verdacht standen. Die gingen nämlich auch in Coras Klasse, müssen Sie wissen. Es lief einem kalt den Buckel runter, wenn man denen nach Einbruch der Dunkelheit begegnet ist. Die konnten einem nicht in die Augen sehen, waren irgendwie unheimlich. Sie sollen sich nachts sogar auf dem Friedhof herumgetrieben haben …“
„Soviel ich weiß, haben die beiden die Tat aber doch bestritten.“
„Klar haben sie das. Haben’s wohl mit der Angst zu tun bekommen. Die konnten von Glück sagen, dass die Polizei den Hannes als Täter gefasst hat. Ich jedenfalls hätte denen das glatt zugetraut. Denn, wie ich schon sagte, ich kann noch immer nicht so recht glauben, dass der Hannes das wirklich getan haben soll …“
„Haben Sie eine Ahnung, wo die beiden sich heute aufhalten? Wohnen sie noch in der Stadt?“
Senta Glaser zuckte die Schultern und schüttelte ratlos den Kopf: „Tut mir Leid, das weiß ich nicht. Aber Sie könnten in der Goetheschule nachfragen. Vielleicht kann Frau Reichel, die Sekretärin, Ihnen ja weiterhelfen. Von Cora weiß ich, dass sie eine Kartei mit den aktuellen Adressen aller Schulabgänger besitzt. Da kommen immer mal Anfragen, vor allem wegen der Planung von Klassentreffen.
Ralph, der bisher schweigend zugehört hatte, erhob sich plötzlich: „Da fällt mir was ein, ich bin gleich wieder da.“ Wenig später kam er mit einer Faltkarte zurück. Triumphierend schwang er sie hin und her: „Ich wusste doch das ich Recht hatte.“ Er reichte Henning das Schreiben. Das Wort Einladung prangte in großen bunten Lettern auf der Vorderseite. Henning klappte die Karte auf und las:
Liebe Cora,
zweiundzwanzig Jahre ist es nun schon her, dass wir gemeinsam die Schulbank drückten. Wir finden, dass es an der Zeit ist, uns nach all den Jahren endlich einmal wieder zu sehen. Nach dem Motto „Lieber spät als gar nicht“ möchten wir dich für Sonn-abend den siebzehnten April zu unserem Klassentreffen einladen. Wir wollen uns fünfzehn Uhr an unserer alten Schule versammeln. Bei einem anschließenden gemütlichen Beisammensein in der Schlossgaststätte wollen wir alte Erinnerungen auffrischen. Wir freuen uns auf dich!
Drei unleserliche Unterschriften folgten.
Zufrieden klappte Henning die Karte zusammen. Endlich schienen sich die Dinge zum Positiven zu wenden. Er bat Ralph darum, die Karte vorerst behalten zu dürfen. Als er Stunden später in seinem Bett, das ihm Ralph im Gästezimmer gerichtet hatte, lag, ließ er noch einmal alle neu gewonnenen Erkenntnisse des Tages an sich vorüberziehen. Doch anstatt Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, schlief er ein.
8
Munteres Vogelgezwitscher weckte ihn. Im noch kahlen Geäst des Apfelbaumes, der vor seinem Zimmer stand,
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