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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Geist, stets bereit, neue Möglichkeiten zu erkunden. Bin ich eine eitle Närrin, dass ich eine so unwahrscheinliche Freundschaft in Erwägung ziehe? Ich bin abgelenkt, in Gedanken noch bei unserer Unterhaltung, und so übersehe ich die Hinweise, die mich hätten warnen sollen. Das Zittern in der Luft. Den leisen Geruch, den ein fremder Körper ausströmt. Erst als ich den Lichtschalter in meinem Schlafzimmer betätige und nichts passiert, wird mir plötzlich klar, dass ich nicht allein bin.
    Die Schlafzimmertür knallt hinter mir zu. In der Dunkelheit kann ich den Schlag nicht kommen sehen, der auf meinen Kopf herabsaust, doch meine Instinkte sind sofort hellwach. Etwas zischt direkt über mir, während ich mich ducke und in Richtung Bett hechte, wo mein Säbel versteckt ist. Nicht die täuschend echte Nachbildung, die ich der Polizei übergeben habe, sondern der echte Zheng Yi. Über fünf Jahrhunderte wurde er von Mutter zu Tochter weitergereicht, ein Vermächtnis, das uns schützen, uns gegen unsere Feinde verteidigen soll.
    Jetzt brauche ich ihn mehr denn je.
    Mein Angreifer stürzt sich auf mich, doch ich gleite davon wie Wasser und rolle mich über den Boden. Dort greife ich unter das Bett nach der Nische, in der Zheng Yi verborgen ist. Er schmiegt sich in meine Hand wie ein alter Freund und gibt ein melodisches Seufzen von sich, als er aus seiner Scheide gleitet.
    In einer fließenden Bewegung springe ich auf und wirbele herum, um mich dem Feind zu stellen. Das Knarren des Fußbodens verrät mir, wo er steht – ein Stück zu meiner Rechten. Just in dem Moment, als ich mein Gewicht verlagere, um zur Attacke überzugehen, höre ich den Schritt – aber diesmal hinter mir.
    Sie sind zu zweit.
    Es ist mein letzter Gedanke, bevor ich falle.

33
    Jane ging neben Iris’ Bett in die Hocke, um die Spuren zu lesen – und was die ihr verrieten, gefiel ihr ganz und gar nicht. Auf dem Fußboden und am Rand des Lakens waren rote Spritzer zu sehen – hier war jemand zusammengebrochen. Der Blutverlust war minimal; auf jeden Fall nicht stark genug, um tödlich zu sein. Jane richtete sich auf und sah auf die verschmierten Blutflecken, über die offenbar ein Körper geschleift worden war. Sie hatte bereits weitere Blutspuren auf der Treppe und im Eingangsbereich bemerkt – die Haustür hatte weit offen gestanden, was die Nachbarn erst darauf aufmerksam gemacht hatte, dass hier etwas nicht stimmte.
    Jane wandte sich zu Frost um. »Bist du dir sicher, was die Uhrzeit betrifft? Es war neun Uhr abends, als du gegangen bist?«
    Er nickte mit einem verstörten Ausdruck in den Augen. »Ich habe niemanden gesehen, als ich das Haus verließ. Und ich hatte direkt vor der Tür geparkt.«
    »Warum warst du hier?«
    »Um mit ihr zu reden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen dieser Geschichte mit dem Säbel.«
    »Du bist extra hingefahren, um dich dafür zu entschuldigen, dass du deine Arbeit gemacht hast?«
    »Manchmal komme ich mir eben vor wie ein Schwein, wenn ich nur meine Arbeit mache, okay?«, gab er gereizt zurück. »Da ist diese Frau, die schon vorher ein Opfer war. Sie hat ihren Mann und ihre Tochter verloren. Und wir machen sie zur Verdächtigen. Wir vernehmen sie. Wir machen sie noch einmal zum Opfer.«
    »Ich weiß nicht viel über Iris Fang. Aber was ich weiß, ist, dass sie von Anfang an im Mittelpunkt dieser Sache gestanden hat. Alles, was passiert ist, scheint sich um sie zu drehen.« Janes Handy klingelte. »Rizzoli«, meldete sie sich.
    Tam war dran. »Kevin Donohue sagt, er hat ein Alibi für gestern Abend.«
    »Und seine Leute?«
    »Das ist das Problem. Sie geben sich gegenseitig Alibis. Alle drei schwören, dass sie den Abend in Donohues Haus vor dem Fernseher verbracht haben. Was bedeutet, dass wir keinem der drei auch nur ein Wort glauben können.«
    »Wir können also nicht ausschließen, dass sie es waren.«
    »Aber nachweisen können wir ihnen auch nichts.«
    Jane legte auf und wandte sich frustriert zum Fenster um. Auf der Straße vor dem Haus standen drei ältere Chinesinnen und starrten zu ihr hinauf, während sie miteinander schwatzten. Was könnten sie uns sagen, wenn sie nur mit uns reden würden? In Chinatown war nichts so, wie es auf den ersten Blick schien. Es war, als betrachtete man alles durch einen Seidenvorhang – nie bekam man ein klares Bild zu sehen, immer blieb irgendetwas im Verborgenen.
    Sie wandte sich zu Frost um. »Vielleicht wird Bella jetzt endlich mit uns reden. Es wird Zeit,

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