Grabesstille
der den Zehntklässlern gewidmet war. Er war damals fünfzehn gewesen, und als seine Hobbys waren Orchester, Lacrosse, Schach, Fechten und Theater angegeben. Es war die Musik, die sie zusammengebracht hatte, die Musik, die ihr Leben und das ihrer Eltern verändert hatte. Die Dions und die Mallorys hatten sich bei den Schulkonzerten ihrer Kinder kennengelernt. Sie hatten sich angefreundet. Dann hatte Dina Patrick wegen Arthur verlassen, und danach war für sie alle nichts mehr so gewesen wie zuvor.
»Bitte sehr«, sagte Patrick, während er ein Tablett mit einer Kaffeekanne hereintrug. Er schenkte ihr eine Tasse ein und stellte Zucker und Sahne auf den Tisch. »Sie sind bestimmt auch hungrig. Ich kann Ihnen ein Sandwich machen.«
»Nein danke, ich bin wunschlos glücklich«, sagte sie und nippte an dem heißen Kaffee. »Ich habe spät zu Mittag gegessen, und Abendessen bekomme ich, wenn ich zu Hause bin.«
»Sie müssen eine sehr verständnisvolle Familie haben.«
Sie lächelte. »Ich habe einen Mann, der wusste, was er sich einhandelte, als er mich geheiratet hat. Ah, da fällt mir etwas ein.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und tippte rasch eine SMS an Gabriel: Komme heute Abend später. Wartet nicht mit dem Essen .
»Finden Sie da drin, was Sie suchen?«, fragte Patrick und deutete mit dem Kopf auf die Jahrbücher.
Sie legte ihr Handy hin. »Das weiß ich noch nicht.«
»Wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen, kann ich Ihnen vielleicht helfen.«
»Ich suche nach Verbindungen«, sagte sie.
»Was für Verbindungen?«
»Zwischen Ihrer Tochter und diesen Mädchen hier.« Jane schlug die Mappe auf, die sie mitgebracht hatte, und wies auf die Liste mit den vier Namen.
Patrick runzelte die Stirn. »Laura Fang ist mir natürlich ein Begriff. Nach Charlottes Verschwinden hat die Polizei herauszufinden versucht, ob es da eine Verbindung gab. Aber was die anderen Mädchen betrifft – die Namen sagen mir leider gar nichts.«
»Sie sind nicht in Bolton zur Schule gegangen, aber sie sind alle spurlos verschwunden, genau wie Ihre Tochter. In verschiedenen Städten und in verschiedenen Jahren. Ich frage mich, ob Charlotte eine oder mehrere von ihnen kannte. Vielleicht über die Musik oder den Sport.«
Patrick dachte einen Moment darüber nach. »Detective Buckholz hat mir gesagt, dass in diesem Land ständig Kinder verschwinden. Wieso interessieren Sie sich speziell für diese Mädchen?«
Weil ein Mann namens Ingersoll, der jetzt tot ist, mich auf diese Spur gebracht hat, dachte Jane. Was sie sagte, war: »Diese Namen sind im Zuge der Ermittlungen aufgetaucht. Es könnte sich herausstellen, dass sie gar nichts mit Charlottes Fall zu tun haben. Aber wenn es eine Verbindung gibt, könnte ich sie am ehesten hier finden.«
»In den Jahrbüchern?«
Sie blätterte in den Seiten über die Aktivitäten der Schüler. »Schauen Sie«, sagte sie, »das ist mir letztes Mal schon aufgefallen. Die Bolton Academy ist sehr gut darin, sämtliche Aktivitäten ihrer Schüler zu dokumentieren, von Schulkonzerten bis hin zu Tennisveranstaltungen. Vielleicht liegt es daran, dass es eine relativ kleine Schule ist.« Sie deutete auf eine Seite mit Fotos von lächelnden Schülerinnen und Schülern, die ihre naturwissenschaftlichen Projekte präsentierten. Darunter stand: New England Science Fair, Burlington, Vermont, 17. Mai . »Meine Hoffnung ist«, fuhr sie fort, »dass ich mithilfe dieser Dokumentation Charlottes Schuljahre rekonstruieren kann. Herausfinden, wo sie gewesen ist und an welchen Aktivitäten sie teilgenommen hat.« Sie sah Patrick an. »Charlotte hat Bratsche gespielt. So haben Sie die Mallorys kennengelernt. Bei den Konzerten ihrer Kinder.«
»Inwiefern hilft Ihnen das weiter?«
Jane blätterte weiter zum Abschnitt über die Musikschule. »Hier. Das war das Jahr, in dem sie erstmals im Orchester mitspielte.« Sie deutete auf ein Gruppenfoto der Orchestermitglieder, zu denen auch Charlotte und Mark gehörten. Darunter war zu lesen: Januarkonzert des Orchesters reisst Publikum von den Stühlen!
Schon der Anblick des Fotos schien Patrick geradezu physische Schmerzen zu bereiten. Er zuckte zusammen und sagte mit schwacher Stimme: »Es ist nicht leicht, wissen Sie? Diese Fotos anzuschauen. Daran erinnert zu werden, wie …«
»Sie müssen sich das nicht antun, Mr. Dion.« Jane fasste seine Hand. »Ich kann die Bücher auch allein durchsehen. Wenn ich irgendwelche Fragen habe, wende ich mich an Sie.«
Er nickte, und
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