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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Pumpe, weißt du?« Er wuchtete sich aus dem Sessel hoch. »Wird Zeit, dass wir über angenehmere Dinge reden, okay?«
    Nicht über Tote, dachte Jane. Nicht über Massaker und entführte Mädchen. Doch als Gabriel mit der kleinen Regina an der Hand ins Haus kam, musste Jane unwillkürlich an Charlotte Dion und Laura Fang denken. Sie half ihrer Mutter, die Platten hereinzutragen, eine Köstlichkeit nach der anderen. Krosse Kartoffelecken. Grüne Bohnen, beträufelt mit Olivenöl. Und schließlich zwei üppige, nach Rosmarin duftende Brathähnchen. Doch während sie sich zu Tisch setzten, während Jane Regina ihr Lätzchen umband und ihr das Fleisch in mundgerechte Häppchen schnitt, musste sie über vermisste Mädchen und verzweifelte Eltern nachdenken. Wie konnte eine Mutter so einen Verlust ertragen? Sie fragte sich, ob Iris Fang je darüber nachgedacht hatte, ihrem Elend ein Ende zu machen. Ein Sprung vom Dach, eine Handvoll Schlaftabletten. Wie viel leichter war das doch, als tagaus, tagein mit dem Kummer zu leben und sich vor Sehnsucht nach den geliebten Menschen zu verzehren, die man nie wiedersehen würde.
    »Stimmt etwas nicht mit dem Essen, Janie?«, fragte Angela.
    Jane sah ihre Mutter an, die über die unerklärliche Fähigkeit verfügte, stets genau zu wissen, was und wie viel jeder der Gäste an ihrem Tisch gegessen hatte. »Es schmeckt fantastisch, Ma. Du hast dich heute Abend selbst übertroffen.«
    »Und warum isst du dann nicht?«
    »Tu ich doch.«
    »Du hast einen Bissen Hähnchen gegessen, und dann hast du angefangen, das Essen auf deinem Teller hin und her zu schieben. Ich hoffe, du machst keine Diät, denn du hast es wirklich nicht nötig abzunehmen, Schätzchen.«
    »Ich mache keine Diät.«
    »Diese Mädchen heutzutage, die sind doch ständig auf Diät. Hungern sich aus mit Salaten, und wozu das Ganze?«
    »Für die Männer tun sie’s jedenfalls nicht«, brummte Korsak, den Mund voller Kartoffeln. »Jeder Mann mag es, wenn die Mädels ein bisschen Fleisch auf den Knochen haben.« Er zwinkerte Angela zu. »Sieh dir deine Mutter an. Die ist so gebaut, wie eine Frau gebaut sein sollte.«
    Jane konnte nicht sehen, was unter dem Tisch vor sich ging, doch ihre Mutter richtete sich plötzlich kerzengerade in ihrem Stuhl auf und lachte schrill. »Vincent! Benimm dich!«
    Ja, bitte benimm dich. Denn ich kann das nicht länger mit ansehen.
    »Also«, meinte Korsak, während er sich ein Stück Hähnchen abschnitt, »das ist doch jetzt ein guter Zeitpunkt, um auf ›Du weißt schon was‹ zu sprechen zu kommen.«
    Nie hatten vier Worte so ominös geklungen. Janes Kinn ruckte in die Höhe, und sie sah ihre Mutter an. »Was ist › Du weißt schon was‹ ?«
    »Das ist etwas, worüber wir schon länger nachdenken«, antwortete Angela. »Vince und ich.«
    Jane warf ihrem Mann einen Seitenblick zu, doch wie üblich trug Gabriel sein FBI-Gesicht zur Schau, das nichts von seinem Inneren preisgab, wenngleich er wohl schon ahnte, worauf das Gespräch hinauslief.
    »Na ja, du weißt ja, dass Vince und ich jetzt schon eine ganze Weile zusammen sind«, sagte Angela.
    »Eine ganze Weile? Wie lange ist das jetzt her – doch gerade mal anderthalb Jahre, oder?«
    »Das ist reichlich Zeit, um einen Menschen kennenzulernen, Janie. Und zu sehen, dass er ein gutes Herz hat.« Angela strahlte Korsak an, worauf er sich zu ihr herüberbeugte und ihr einen geräuschvollen Schmatz gab.
    »Mit Dad warst du drei volle Jahre zusammen, ehe du ihn geheiratet hast«, gab Jane zu bedenken. »Und was ist daraus geworden?«
    »Ich war fünfzehn, als ich deinen Vater kennengelernt habe. Er war erst mein zweiter Freund.«
    »Du warst fünfzehn und hattest schon einen Freund gehabt?«
    »Worum es geht, ist, dass ich noch ein halbes Kind war und nicht wusste, was die Welt zu bieten hatte. Ich habe zu jung geheiratet, habe zu früh Kinder gekriegt. Heute weiß ich erst, was ich wirklich will.«
    Jane sah Korsak an und dachte: Du kannst doch nicht ernsthaft ihn damit meinen.
    »Deswegen wollten wir, dass ihr heute Abend zu uns zum Essen kommt, Schätzchen. Du und Gabriel, ihr sollt es als Erste erfahren. Frankie und Mike habe ich es noch nicht gesagt, weil – na ja, du weißt ja, wie sie sind. Hängen noch so an ihrem Vater, und das, obwohl sie wissen, dass er mit der Tussi schläft.« Angela hielt inne, um durchzuatmen und sich ein wenig zu beruhigen. Allein die Erwähnung der Tussi ließ ihre Stimme um eine Oktave in die Höhe schnellen.

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