Grabesstille
wenn so viele Fragen gestellt werden, lässt mich das in den Augen meiner Konkurrenten schwach aussehen. Als ob ich mich nicht mehr lange halten könnte. Und wenn ich Schwäche zeige, ruft das die Geier auf den Plan.« Er beugte sich vor, wobei seine Wampe über seinen Gürtel quoll. »Sie werden nichts finden, okay? Nichts , was mich mit dem Red Phoenix in Verbindung bringt.«
»Was ist mit Joey Gilmore?«
Er seufzte. »Sie haben mit seiner Mutter geredet, der alten Hexe.«
»Sie sagt, es hätte vor neunzehn Jahren ein Zerwürfnis zwischen Ihnen und Joey gegeben.«
»Kleinkram. Nicht wert, dass man dafür eine Kugel vergeudet.«
»So unwichtig kann es ja wohl nicht gewesen sein, wenn Sie jetzt Leute von außerhalb für eine Säuberungsaktion engagieren.«
»Was?«
Jane wandte sich zu Donohues Leibwächtern um. »Ich werde jetzt in meine Tasche greifen, um Fotos herauszunehmen, okay? Also keine Panik, Jungs.« Sie zog die beiden Leichenfotos heraus und schob sie Donohue über den Couchtisch zu. »Ihre gedungenen Helfer neigen offenbar dazu, den Kopf zu verlieren.«
Donohue riss die Augen auf. Von allen Fotos aus der Rechtsmedizin, die Jane hätte mitbringen können, waren dies die drastischsten und schockierendsten. Die Frau in Schwarz mit der klaffenden Schnittwunde im Hals. Der abgetrennte Kopf des Killers, der neben seinem Rumpf auf dem Obduktionstisch lag. Die Bilder hatten den gewünschten Effekt: Donohues Gesicht war ebenso kreidebleich geworden wie die beiden Leichen.
»Warum zum Teufel zeigen Sie mir das?«, fragte er.
»Warum haben Sie diese beiden Killer angeheuert?«
Der Anwalt schaltete sich ein. »Diese Unterredung ist hiermit beendet. Sean, Colin, geleiten Sie Detective Rizzoli zum Ausgang.«
»Halten Sie den Mund«, sagte Donohue.
»Mr. Donohue, es ist nicht in Ihrem Interesse …«
»Ich werde Ihre Frage beantworten, okay?« Donohue sah Jane an. »Ich hab die zwei nicht engagiert. Ich weiß nicht mal, wer die Frau da ist.« Er betrachtete das Foto der Frau mit neuem Interesse und schnaubte. »Hübsches Mädel. Wirklich jammerschade.«
»Und der Mann? Kennen Sie ihn?«
»Kann sein. Kommt mir bekannt vor. Was meinst du, Sean?«
Sein Handlanger Sean beäugte das Foto. »Ich glaub, den hab ich schon mal gesehen. Keine Ahnung, wie er heißt, aber er war hier in der Gegend aktiv. Ukrainer oder Russe.«
Donohue schüttelte den Kopf. »Diese Burschen bedeuten nichts als Ärger. Haben keinen Funken Moral im Leib. Eins kann ich Ihnen sagen: Dieser Kerl hat niemals für mich gearbeitet.« Er blickte Jane in die Augen. »Und ich schätze mal, das wird auch in Zukunft so bleiben.«
»Wieso glaube ich Ihnen nicht?«, fragte sie.
»Weil Sie schon entschieden haben, dass ich schuldig bin. Auch wenn ich auf die Bibel meiner Mutter schwöre, dass ich diese beiden nicht angeheuert habe.« Nach dem anfänglichen Schrecken, den ihm der Anblick der Leichenfotos versetzt hatte, war die Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt, und er hatte seine überhebliche Art wiedergefunden. »Ich würde Ihnen also raten, die Finger von der Sache zu lassen.«
»Drohen Sie mir etwa, Mr. Donohue?«
»Sie sind ein kluges Mädel. Was glauben Sie denn?«
»Ich glaube, dass Sie Angst haben. Ich glaube, dass Sie sich in die Enge getrieben fühlen.«
»Von Ihnen?« Er lachte. » Sie sind die geringste meiner Sorgen.«
»Sie haben mich eine Bulldogge genannt, erinnern Sie sich? Nun, ich werde weiter in Ihrem Garten buddeln, denn genau dort werde ich Joey Gilmores Knochen finden.«
»Ach, hören Sie doch auf. Der Koch hat diese Leute umgelegt und sich dann selbst die Kugel gegeben. Jeder weiß, dass es Selbstmord war, aber Joeys Mutter, die alte Hexe, kann sich einfach nicht damit abfinden. Deswegen hat sie mir diesen blöden Wisch mit der Post geschickt.«
Jane erstarrte. »Sie haben so etwas bekommen?«
»Vor ein paar Wochen – war ’ne Kopie von Joeys Todesanzeige drin. Und dann hat sie noch so eine alberne Botschaft auf die Rückseite gekritzelt. Ich weiß, was wirklich passiert ist. Was zum Henker soll das heißen?«
»Wenn Mrs. Gilmore der Grund für Ihre Ermittlungen gegen Mr. Donohue ist«, meldete sich der Anwalt zu Wort, »dann vergeuden Sie hier nur Ihre Zeit.«
»Woher wissen Sie, dass Mary Gilmore diese Briefe schickt?«, fragte Jane. »Hat sie den an Sie unterschrieben? Stand da ein Absender?«
Der Anwalt runzelte die Stirn, als er plötzlich registrierte, was Jane gesagt hatte. » Briefe? Im Plural?
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