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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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gab noch viel zu tun.
    Er bückte sich, um das andere Bein aufzuheben, und legte es auf die Werkbank. Dabei sagte er mit niedlicher Puppenstimme: »Hey, Kumpel, danke, dass du dir für mich ein Bein ausgerissen hast«, und amüsierte sich köstlich darüber. Da er einem weiteren lustigen Moment nicht widerstehen konnte, hielt er es, als wäre es eine Rassel, und sagte: »Dann wollen wir mal das Tanzbein schwingen!«
    Er fand seine Fassung wieder und machte sich erneut an die Arbeit, indem er das Bein zwischen zwei Schraubstöcken befestigte.
    Ein Weilchen lenkte er sich mit Gedanken an die Motte ab. Die Motte verbarg etwas vor ihm. Glaubte das kleine Mondkalb tatsächlich, dass er das nicht erkannte? Langsam wurde er der Motte überdrüssig. Noch ein oder zwei Aufgaben zu erfüllen.
    Er stellte die Säge wieder an. Diese Werkstatt war nicht annähernd so groß wie die, in die er demnächst ziehen würde. Keine von beiden war so groß wie sein Hangar, aber er nahm an, dass es einige Zeit dauern würde, bis er wieder in der Lage wäre, an Flugzeugen zu arbeiten.
    Die Opfer, die er zu bringen bereit war, waren phänomenal.
    Er dachte an all die unwürdigen Hände, die sich jetzt an den Überresten von den Wiesen zu schaffen machten. Dass diese Schändung der Preis für seinen Ruhm war, ärgerte ihn.
    Und neben dem Ärger lag die Leidenschaft.
    Der zarte Geruch von verbrannten Knochen stieg ihm in die Nase.
    Er war fast am Ziel … fast, fast am Ziel.
    Einfach vergänglich.
     

40
     
    DIENSTAG NACHMITTAG, 12. SEPTEMBER
    Las Piernas
     
    Als ich vor Phil Newlys Tür stand, überlegte ich ernsthaft, ob ich meine von Jo Robinson gestellte Hausaufgabe sausen lassen sollte.
    Irgendein perverser Impuls ließ mich den schwierigsten Besuch als Ersten angehen. Ich hatte bereits in gewissem Rahmen Kontakt zu Andy und J. C. gehabt, aber Phil Newly war ich ausgewichen. Mit Houghton hatte ich nicht viel zu tun gehabt, bevor er die Gruppe verließ, und weil er nicht mehr bei der Polizei von Las Piernas arbeitete, würde ich eine Zeit lang brauchen, um ihn zu finden. Aber ich hatte keine zwiespältigen Gefühle gegenüber Houghton. Es war Newly, dem ich gemischte Gefühle entgegenbrachte.
    Er war mit Parrish verbunden gewesen, in einer Rolle, die ihn zu Parrishs Fürsprecher machte. Zugleich hatte Phil deutlich gemacht, dass er Parrish persönlich nicht mochte. Schließlich hatte Parrish ihn attackiert.
    Obwohl ich mir auf diesen Gedankengang nichts einbildete, war mir mehr als einmal in den Sinn gekommen, dass Phil Newly von Glück sagen konnte, einen gebrochenen Fuß zu haben. Eine schmerzhafte Verletzung, aber im Gegensatz zu Ben hatte er immer noch zwei Füße. Wegen dieses gebrochenen Fußes hatte er nicht dieselben Schrecknisse durchlebt. Er war entkommen, bevor der schlimmste Teil der Exkursion begann. Er hatte nicht einmal den Kojotenbaum gesehen. Hinterher war er geschickt sämtlichen Bemühungen der Medien, ihn zu interviewen, aus dem Weg gegangen. Als schließlich alle begriffen hatten, dass er bei der Öffnung der beiden Gräber nicht dabei gewesen war, schwand das Interesse an ihm.
    Die Polizei schien ihn nicht wegen der Einbrüche in Davids Haus und Bens Büro zu verdächtigen. Es hieß, sein Alibi sei überprüft worden. Trotzdem – auch wenn seine Schwester seine Behauptung stützte, er hätte ihr Haus in San Francisco am Tag der Einbrüche nicht verlassen, sagte eine ergebene Schwester womöglich alles, um ihren Bruder zu schützen.
    Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, was er in dem Haus oder der Universität hätte wollen können, geschweige denn, dass ich mir einen Grund hätte denken können, warum er eine einträgliche Karriere als Anwalt aufs Spiel setzen sollte, um Einbrecher zu werden. Ja, auch wenn ich Phil kaum kannte, hatte ich nie Grund zu der Annahme gehabt, dass er unehrlich war.
    Außerdem war ich ihm dankbar. Frank hatte mir erzählt, wie phil mit ihm kooperiert hatte, während ich in den Bergen war, und erklärt, dass er ohne Phils Hilfe wesentlich länger gebraucht hätte, um mich zu finden.
    Meine gemischten Gefühle blieben gemischt.
    Ich drückte die Klingel.
    Ich hörte, wie auf der anderen Seite jemand auf die Tür zuging. Dann herrschte Stille.
    Ich hatte in seiner Kanzlei angerufen und eine Ansage zu hören bekommen, die besagte, dass die Kanzlei geschlossen sei und er keine neuen Klienten annähme. Ein paar Recherchen ergaben, dass er alle seine laufenden Fälle an andere Anwälte

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