Grabesstille
sich hin. In einer zur Werkstatt umfunktionierten Garage zu sein war nicht ganz so wunderbar, wie seinen eigenen Hangar zur Verfügung zu haben. Die Nachbarn waren ein bisschen näher, und größere Vorsicht war geboten.
Aber es war einfach so herrlich, die Hände wieder auf richtigen Werkzeugen zu haben! Er ließ die Kreissäge aufheulen, lauschte dem schrillen Geräusch des Motors und schmunzelte darüber, auf wie wenig Widerstand sie traf, bis sie zum Knochen kam.
Er fragte sich, ob Ben Sheridan in den Händen eines so guten Chirurgen gewesen war – was er für kaum vorstellbar hielt –, und begann »Dem Bones« zu singen. Es roch ein wenig verbrannt, als die Säge ihr Werk tat. Er holte tief Atem und sang noch einmal den Refrain. Als die Säge sirrend zum Stehen kam, war er bei einer der »hängt am«-Zeilen angelangt. Er hörte auf zu singen und lächelte.
»Jetzt nicht mehr!«, sagte er laut und musste die Säge ablegen, bis sein Lachkrampf verebbte.
Methodisch setzte er seine Arbeit fort, stellte aber mit Unbehagen fest, dass er immer wieder abgelenkt wurde. Er musste ständig an Ben Sheridan denken.
Ben Sheridan hatte ihn reingelegt!
Nein, nein, so etwas war ja gar nicht möglich. Jemanden reinzulegen erforderte Schläue, und Sheridan hatte auf lächerlich sentimentale Weise gehandelt, als er auf diese Wiese gerast war.
Durch reines Glück war der Mann dem Tod durch die Kugel entkommen. Ein wenig höher, dachte Parrish und berührte den Knochen, an dem er gerade arbeitete, ein Schuss in den Oberschenkelknochen und in die Oberschenkelschlagader und – gluck, gluck, gluck – der Mann wäre in null Komma nichts verblutet. Ja, er glaubte sogar, wenn er eine Arterie getroffen hätte, wäre das Blut vielleicht durch die ganze Gegend gespritzt. Das Bild erregte ihn, und er blieb einen Moment dabei und genoss es, angenehm davon überrascht.
Er entwickelte sich ständig weiter, das wusste er, zu einem makelloseren, höheren Wesen. Er musste diese Veränderungen an sich selbst begrüßen.
Immerhin ging ihm Sheridan fast so intensiv im Kopf herum wie Irene. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, das Messer an ihm zu verwenden! Sein Messer, das noch nie männliches Fleisch berührt hatte.
Außer bei einem seiner frühen Morde – dem Schläger aus der Kindheit, an den ihn Merrick erinnert hatte. Er machte sich nicht viel daraus, Männer umzubringen. Sie waren Hindernisse: zufällige Zeugen und dergleichen. Für Männer nahm er Pistolen. Er erschoss sie und brachte es hinter sich. Aber vielleicht entging ihm dabei etwas.
Er schmunzelte und nahm ein paar Detailarbeiten am Kniegelenk des Knochens vor, während er an die Schmerzen dachte, die Ben Sheridan gelitten haben musste. Ob er wohl geschrien hatte? Hatte er geweint? Vielleicht würde er Ben Sheridan zum Weinen bringen und ihm die Tränen vom Gesicht lecken.
Er verspürte den Drang, den Mann gleichmäßig zu machen, ihm einen Teil des anderen Beins abzunehmen. Sheridan war jetzt so asymmetrisch. Es war ihm unangenehm, so etwas zu sehen. Es störte seinen Ordnungssinn.
»Schließlich bin ich Knochenklempner!«, sagte er laut und prustete vor Lachen.
Er schmiedete Pläne. Sie war eine ganz Raffinierte, diese Irene. Jetzt arbeitete sie nicht mehr. Hatte sie seine kleine, geritzte Ankündigung – oh, die war gut gewesen! – seiner Ankunft in der Stadt verschreckt? Hatte sie gekündigt, oder war sie gefeuert worden?
Als er angerufen hatte, um zu erfahren, ob sie seine andere kleine Nachricht erhalten hatte, wurde er zu ihrer Voice Mail umgeleitet. Aber eine aufgezeichnete Stimme erklärte, die Voice-Mailbox sei voll, und die dumme Kuh in der Vermittlung behauptete, sie wüsste nicht, wann Ms. Kelly wieder im Hause sei. Er erwog, die Frau von der Vermittlung umzubringen, und verwarf die Idee dann wieder. Er hatte wohl kaum Zeit, jede unwissende Null auf dieser Welt umzubringen, oder?
Er musste sich auf Wichtigeres konzentrieren, und so machte er sich wieder daran, Pläne für Irene Kelly zu schmieden.
Aber während das Schmieden dieser Pläne ihm zu recht wohligen Gefühlen verhalf, versetzten ihn die Gedanken an sie in einen ganz anderen Zustand und machten ihn verkrampft vor Verlangen. Er war ein geduldiger Mann, aber er wusste, dass er sich nun nicht mehr viel länger bezähmen würde.
Er beendete die Arbeit an dem Knochen und legte ihn sachte beiseite. Der Knochengeruch war ja so anregend!
Er musste sich selbst unter Kontrolle bringen – es
Weitere Kostenlose Bücher