Grabesstille
Geld umgehen«, erklärte Ben. »Nicht nur in puncto Sparsamkeit, sondern auch was die Auswahl von Investitionen anging.«
»Aber ihre Post und die Zeitungen –«, wandte ich ein.
»Das Haus hat einen Schlitz für die Post«, erwiderte Ben. »Die Post hat sich einfach hinter der Tür gestapelt. Das hat uns gefallen, wenn wir zelten gingen oder verreist waren. Man musste keinen Lagerungsantrag beim Postamt stellen.«
»Ehrlich gesagt glauben wir, dass Parrish einen gestellt hat«, sagte Frank. »Offenbar hat er ihre Unterschrift darauf gefälscht.«
»Aber damit bleibt immer noch die Zeitung«, sagte ich. »Oder hatte sie keine abonniert?«
»Doch, hatte sie«, antwortete Frank. »Aber sie hat die Lieferung abbestellt.«
»Moment mal – bist du sicher?«, fragte ich nach.
»Ja, wir haben uns beim Express erkundigt. Sie hat sie vor etwa einer Woche gekündigt.«
»Ich meine, bist du sicher, dass sie selbst es war, die das Abo gekündigt hat?«
»Was meinen Sie damit?«, wollte Ben wissen.
»Kennen Sie irgendjemanden, der einen neuen Job sucht und die Zeitung kündigt?«, fragte ich. »Da will man doch die Stellenanzeigen lesen.«
»Das stimmt allerdings«, sagte Ben zu Frank.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte ich. »Die eine ist, dass sie erst kurz bevor sie ermordet wurde angerufen hat, um die Zeitung zu kündigen, was genau die Art von unwahrscheinlichem Zufall wäre, der einen mutmaßen lässt, ob sie zu dem Anruf gezwungen wurde.«
»Und die andere?«, fragte Frank.
»Parrish hat angerufen und das Zeitungsabo gekündigt, um sicherzugehen, dass niemand sich auf die Suche nach ihr machte, bevor er wollte, dass sie gefunden würde.«
»Ja, ich schätze, das ist möglich«, räumte er ein. »Aber das bringt uns dem Ziel, Parrish zu fassen, nicht näher.«
»Vielleicht doch. Ich weiß nämlich von einem zweiten Zeitungsabo, das kürzlich gekündigt wurde.«
»Das von Phil Newly«, sagte Frank.
»Ja. Nick Parrish hat offenbar die Vorgehensweise von Polizei und Gerichtsmedizin genau studiert. Er weiß, was den Anstoß für die Suche nach einer vermissten Person geben kann. Ein Stapel Zeitungen in der Einfahrt könnte selbst von Nachbarn bemerkt werden, die nicht einmal wissen, wie das Opfer heißt.«
»Ich werde noch einmal einen Vorstoß unternehmen, damit wir uns in Newlys Haus umsehen können. Aber wie gesagt, im Allgemeinen mögen es Richter nicht, wenn Cops unaufgeforderte Streifzüge durch die Häuser von Strafverteidigern unternehmen.«
Wir fuhren ein bisschen früher zu Jo Robinsons Praxis. Sie hatte es eingerichtet, direkt vor meinem Termin mit Ben zu sprechen. »Wir sollten versuchen, mit ihr auszuhandeln, dass sie zwei zum Preis von einem behandelt«, witzelte ich, aber verständlicherweise war Ben nicht in Stimmung für Scherze.
Er überzog in meine Stunde hinein, doch das störte mich nicht. Ich glaubte, das hieße, dass ich vielleicht ein wenig abkürzen könnte, aber daraus wurde nichts.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich, als sie die Tür geschlossen hatte und unsere Sitzung beginnen sollte.
Sie lächelte und sagte: »Sie erwarten ja wohl nicht, dass ich diese Frage beantworte, oder? Das ist Ihre Stunde. Wie geht es Ihnen?«
»Ich habe immer noch scheußliche Arbeitszeiten«, antwortete ich.
»Die sollten doch etwas verbessert werden.«
»Wurden sie ja«, gab ich zu.
Jetzt, wo meine große Beschwerde vom Tisch war, saß ich da und studierte meine Zehen.
»Und wie ist es Ihnen sonst ergangen?«, hakte sie nach.
Ich berichtete ihr, dass ich mit den Sayres gesprochen hatte.
»Gut. Und haben Sie weiter über Parzival nachgedacht?«
»Ein wenig.« Ich berichtete, wie das Erzählen der Geschichte von Parzivals Besuch auf der Gralsburg dazu geführt hatte, dass ich heute Morgen mit Ben geredet hatte, und schilderte ihr in groben Zügen unser Gespräch.
»Hmm.«
»Hmm?«, wiederholte ich. Es ist nicht leicht, einen solchen Laut mit Sarkasmus zu tränken. Ich ließ ihn geradezu davon triefen.
Sie lächelte erneut. »Ihr Freund Jack hatte Recht. Sie haben vergessen, den besten Teil der Geschichte zu erzählen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Was ich damit meine?«, wiederholte sie. Sie verkniff sich den Sarkasmus – zumindest bis auf einen Hauch.
»Es ist nicht der beste Teil der Geschichte, sondern der traurigste. Parzival zieht in Ungnade davon und verliert seinen Glauben. Er erzählt anderen, dass er es ablehnt, einem Gott zu dienen, der die Macht hat, stets barmherzig
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