Grabkammer
an. »Er scheint echt zu sein.«
»Und alt vermutlich auch, oder? Bloß eine Kuriosität aus Afrika, die das Museum für seine Sammlung erworben hat.«
»Aus Südamerika.«
»Meinetwegen. Könnten die Köpfe nicht ein Teil der alten Crispin-Sammlung sein?«
»Möglicherweise.« Maura sah sie im Halbdunkel an. »Sie könnten aber auch jüngeren Datums sein.«
Die Mitarbeiter des Museums starrten die drei Tsantsas an, die auf dem Tisch des Laborraums lagen. Gnadenlos angestrahlt von den Untersuchungsleuchten, trat jedes Detail der Köpfe deutlich hervor, von den feinen Wimpern und Augenbrauen bis hin zu den kunstvoll geflochtenen Baumwollschnüren, mit denen ihre Lippen zusammengebunden waren. Zwei der Köpfe wurden von einem langen, pechschwarzen Haarschopf gekrönt.
Die Haare des dritten waren zu einer kantigen Pagenfrisur geschnitten und wirkten wie eine Frauenperücke, die man auf einen viel zu kleinen Puppenkopf gestülpt hatte. So klein waren die Köpfe, dass man sie leicht für Souvenirs aus Gummi hätte halten können, wäre da nicht die eindeutig menschliche Beschaffenheit der Brauen und Wimpern gewesen.
»Ich habe keine Ahnung, warum sie hinter dieser Wand versteckt waren«, murmelte Simon. »Oder wie sie dort hingekommen sind.«
»Dieses Haus ist voller Geheimnisse, Dr. Isles«, sagte Debbie Duke. »Immer, wenn wir die elektrischen Leitungen oder die Wasserleitungen erneuern lassen, stoßen unsere Handwerker auf eine neue Überraschung. Einen zugemauerten Winkel oder einen Durchgang, der keinem erkennbaren Zweck dient.« Sie sah Dr. Robinson an, der auf der anderen Seite des Tischs stand. »Sie erinnern sich doch noch an das Fiasko mit dem Licht letzten Monat, nicht wahr? Der Elektriker musste die halbe Wand im zweiten Stock einreißen, um herauszufinden, wo die Leitungen verlaufen. Nicholas? Nicholas!«
Der Kurator war so in den Anblick der Tsantsas vertieft, dass er erst aufblickte, als sie ihn zum zweiten Mal beim Namen rief. »Ja, dieses Haus hat etwas von einem Irrgarten«, sagte er.
Und mit leiser Stimme fügte er hinzu: »Ich frage mich allmählich, was hinter diesen Mauern noch darauf wartet, dass wir es finden.«
»Diese Dinger sind also echt?«, fragte Jane. »Das sind wirklich geschrumpfte Menschenköpfe?«
»Sie sind zweifellos echt«, antwortete Nicholas. »Das Problem ist nur …«
»Was?«
»Josephine und ich sind sämtliche Inventarlisten durchgegangen, die wir finden konnten. Laut den Neuerwerbungsbüchern hat dieses Museum tatsächlich Tsantsas in seiner Sammlung.
Dr. Stanley Crispin brachte sie 1898 aus dem oberen Amazonasbecken mit.« Er sah Simon an. »Ihr Großvater, wenn ich mich nicht irre.«
Simon nickte. »Ich hatte gehört, dass wir sie in unserer Sammlung haben, aber ich wusste nicht, was aus ihnen geworden war.«
»Der Kurator, der in den 1890er Jahren hier gearbeitet hat, beschreibt die Exemplare wie folgt.« Robinson schlug die entsprechende Seite der Kladde auf. »Zeremonielle Kopftrophäen, Jivaro, beide in exzellentem Zustand.«, Maura, die sofort die Bedeutung dieser Beschreibung erfasste, blickte zu ihm auf: »Steht da wirklich ›beide‹?«
Robinson nickte. »Laut diesen Unterlagen gehören nur zwei zur Sammlung.«
»Könnte ein dritter später erworben und lediglich nicht registriert worden sein?«
»Gewiss. Das ist eines der Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben – unsere unvollständigen Unterlagen. Deshalb habe ich ja die Inventur in Angriff genommen, um endlich eine Vorstellung davon zu bekommen, was wir hier tatsächlich haben.«
Maura musterte die drei Schrumpfköpfe kritisch. »Die Frage lautet jetzt also: Welcher ist der Neuzugang? Und wie neu ist er?«
»Ich wette, die hier ist die Neue.« Jane deutete auf die Tsantsa mit den kurz geschnittenen Haaren. »Ich schwöre, genau diese Frisur habe ich heute Morgen noch bei meiner Barista gesehen.«
»Zunächst einmal«, sagte Robinson, »ist es nahezu unmöglich, allein nach dem Äußeren zu bestimmen, ob eine Tsantsa männlich oder weiblich ist. Das Schrumpfen des Kopfes verzerrt die Gesichtszüge und verwischt die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Und zweitens können auch traditionelle Tsantsas Kurzhaarfrisuren wie diese aufweisen. Es ist ungewöhnlich, aber der Haarschnitt allein sagt noch gar nichts.«
»Und wie kann man nun einen traditionellen Schrumpfkopf von einem modernen Imitat unterscheiden?«
»Erlauben Sie, dass ich die Köpfe anfasse?«, fragte Robinson.
»Ja,
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