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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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war so.« Sie warf einen vorwurfsvollen Blick auf die Sissi,
die wieder an ihren Wunden herumleckte. »Die Mama ist am Fenster gsessn, die
Moserin in der Ecke. Auf dem Tisch vor der Mama ist die Flinte glegn. Weil die
Mama war vorher mit der Sissi hinter dem Wolf her. Droben im Bergwald.«
    Die Sissi, das schien der Hund zu sein. Ein putziger Name für das
Riesenvieh.
    Die Resi berichtete kurz, was sie von dem Wolf und den Schafen und
der Sissi erfahren hatte, von dem Kampf zwischen Wolf und Hund und vergaß auch
nicht, den Besuch vom Tierarzt zu erwähnen. Dass es nicht der Tierarzt gewesen
war, sondern der Ottakring, das hatte sie verwechselt.
    Rico nickte und warf einen versonnenen Blick zur Tür.
    Die Sissi hinkte grad wieder herein, sah sich um, fuhr sich zwei-,
dreimal mit der Zunge durchs Maul, leckte sich eine Wunde am Hinterteil und
ließ sich mit einem lauten Plumps zu Boden fallen.
    Rico machte »ts ts ts«. Unvermittelt schaute er die Resi an. »War
sie geladen?«, fragte er.
    »Die Flinte? Ja. Sonst wär das ja ned passiert.«
    »Ist das bei euch so üblich, eine geladene Waffe offen auf den Tisch
zu legen?«
    Die Resi rutschte ein paar Zentimeter auf ihrem Stuhl umher und hob
die Schultern. »Mhhmm.«
    »Einen Waffenschein habt ihr sicher?«
    »Mhhmm.«
    Selbstverständlich war das schon überprüft worden. Es stimmte.
    »Und?«, sagte Rico und hob eine Hand. Dann hüllte er sich wieder in
Schweigen.
    »Und dann hat die Moserin das Wort gesagt, das man in der Sissi
ihrer Gegenwart nicht aussprechen darf. Das von dem grauen Tier im Wald, das
unsere Schafe reißt.«
    »Der –«
    »Pssst!«, unterbrach die Resi und legte einen Finger auf die Lippen.
»Jedenfalls ist die Sissi sofort von ihrem Platz hochgerumpelt. Falsch. Wie der
Blitz war sie oben und mit den Pfoten neben der Moserin am Tisch.«
    Die Resi legte eine Pause ein und schnaufte durch.
    Rico lehnte sich zurück und faltete die Hände vor dem
Waschbrettbauch. Fragend zog er die Augenbrauen hoch und den Atem ein.
    »… Pfoten auf den Tisch«, wiederholte er kopfschüttelnd.
    Die Resi nickte.
    »… Tisch gelegt. Beide Vorderläufe. Und da ist ja die Flintn glegn.
Und da muss sie halt irgendwie an den Abzug geraten sein, die Sissi. Und dann
hat’s geknallt. Und dann hat’s die Mama getroffen. Sie war grad am Reden.
Mitten in den Mund …«
    »Mitten in den Mund …«
    Ein paar kurze Pfiffe ertönten von der Tür her. Der Seppe stand da
mit gespitzten Lippen. Und pfiff. Mit den schmalen Schultern an den Türpfosten
gelehnt, die kleinen Fäuste in den Hosentaschen, stieß er ein paar unmelodische
Pfiffe unterschiedlicher Taktlänge aus.
    Die Sissi erhob sich und hinkte zu dem Burschi hin. Vorsichtig fuhr
sie ihm mit der feuchten Zunge durchs Gesicht. Dann ließ sie’s wieder bleiben
und faltete sich umständlich neben ihm nieder.
    Seppes Scheitel ging bis knapp über Sissis Ohren.
    Rico war aufgestanden. Er stellte sich vor die Resi hin, beide Hände
in den Hosentaschen vergraben. Versonnen sah er sie an. Als wolle er sich ihre
Gesichtszüge ganz besonders scharf einprägen. Dabei sammelte er seine Gedanken.
    Er schien den Boden unter den Füßen zu verlieren. Diese junge Frau
wollte ihn doch allen Ernstes glauben machen, dass ein Hund der Toten in den
Mund geschossen hatte. Er warf einen kurzen Blick auf das Tier, das noch immer
neben dem Burschi kauerte. Es war verletzt. Es war auch schon verletzt gewesen,
als es den angeblichen Satz mit den Vorderläufen auf den Tisch gemacht hatte.
Schafft ein ziemlich schwer lädierter Hund das? Und wie soll er an den Abzug
geraten?
    Einiges war unklar und verworren.
    Rico war gespannt auf die Ergebnisse der Tatortarbeit nebenan.
    Die Annemirl war nicht schön anzuschauen. Die Frau im
weißen Overall kniete neben ihr auf der Bank und machte sich an den
Überbleibseln von Annemirls Gehirn zu schaffen, die geronnen am Fenster
klebten. Eine Reihe von Zähnen und Zahnsplittern hatte sie vorher schon vom
Tisch, vom Boden und aus dem Vorhang eingesammelt.
    Draußen im Flur pfiff der Seppe in abgehackten, hohen Tönen, als ob
er morste. Bis es dem Kollegen, der sich am anderen Ende des Tischs zu schaffen
machte, zu dumm wurde.
    Er ging zur Tür und wollte den Jungen bremsen. Doch da hatte er die
Rechnung ohne die Sissi gemacht. Die Hündin hatte sich unter die Tür gestellt
und knurrte gefährlich.
    »Oooohaaaahoooh …«
    Es rumpelte vom Fenster her. Die Frau im weißen Overall war über die
Annemirl

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