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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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gestürzt und hatte sie nach unten mitgenommen.
    Ein seltener Anblick. Die Leiche war seitwärts auf die Bank
gesunken, unregelmäßig bedeckt vom Plastikweiß des Overalls der ächzenden Frau
über und auf ihr. Deren Kapuze hatte sich selbstständig gemacht und gab einen
üppigen kastanienbraunen Schopf mit blond eingefärbten Strähnen frei. Und zu
guter Letzt breitete sich auch noch der weiß-rot gestreifte Vorhang, den die
Frau im Fallen vom Fenster gerissen hatte, wie ein Leichentuch über die beiden
Gestalten.
    Rico Stahl staunte nicht schlecht. Der unmenschliche Schrei hatte
ihn hergelockt. Mitten im Schritt hielt er inne. Dann brach er ungewollt in
lautes Lachen aus und machte die Tür von innen zu.
    Die Situation war unglaublich komisch.
    Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl. Während die Spusi-Kollegin
sich aufrappelte, ging Rico näher an den Tisch heran, an dem sich das Unglück
ereignet hatte, und versuchte, das Ereignis nachzuvollziehen.
    Hund erschießt Frau.
    Es wollte ihm nicht recht gelingen.
    Dann warf er noch einen belustigten Blick auf die entsetzte Kollegin
und tat unbeteiligt.
    Er hatte schon die Haustür erreicht, um zu gehen, da drehte er sich
noch einmal um. Ihm fiel auf, dass er die Alte, diese Moserin, die ganze Zeit
über nicht mehr gesehen hatte.
    »Frau Moser?«, rief er fragend in das Haus.
    Nichts rührte sich.
    »Frau Moser?«
    Die Resi erschien aus dem Nebenzimmer jenseits des Flurs. Den Flur
bedeckten wunderschöne alte Steinfliesen.
    »Sagen S’ ruhig Resi zu mir. Die Frau Moser liegt da drin.« Sie
deutete auf den Gastraum mit ihrer toten Mutter.
    »Gut. Resi. Wo ist denn eigentlich Ihre Großmutter? Ich hab sie nur
kurz gesehen, dann war sie verschwunden.«
    Ein kurzer Augenblick des Zögerns entging ihm nicht.
    »Sie ist oben. Hat sich hingelegt. Sie ist alt.«
    Ein Gefühl, das er kannte, überkam ihn wieder einmal. Dass er etwas
übersah. Dass er etwas Grundlegendes missverstand oder falsch interpretierte.
    »Hat sie da oben ein eigenes Zimmer?«
    Wieder dieses Zögern. Als ob sein Gegenüber lieber eine andere
Antwort geben würde, als mit der Wahrheit herauszurücken.
    »Nein, die Moserin … die wohnt nicht … wohnt nicht hier.«
    »Ah so«, sagte Rico verwundert. »Wo wohnt sie dann? Und warum ist
sie hier?«
    »Hab ich doch gesagt. Sie besitzt einen Alzheimer. Sie wohnt in der
Stadt. In einem Heim. Wo auch andere sind. Im gleichen Zustand wie sie.«
    Aha. In einem Pflegeheim also.
    »Wie heißt dieses Heim? Und warum ist sie jetzt hier?«
    Gerade jetzt, wo ihre Tochter von einem Hund erschossen wurde,
wollte er fast hinzufügen. Ein eigenartiger Zufall.
    Der Resi verzog es das Gesicht. Zuerst nur ein wenig. Dann krampfte
es sich zusammen wie eine Gummimaske. Sekunden später brach aus dieser
Gummimaske ein Wasserfall von Tränen heraus. Haltlos, endlos, grenzenlos. Resi
verbarg das Gesicht in den Händen und ging ein paar Schritte zur Seite.
    Rico wusste nicht recht, was er mit der Situation anfangen sollte.
Tröstend in den Arm nehmen konnte er die Kleine schlecht. Die Tür öffnen und
abhauen ebenso schlecht. Also marschierte er zwei Stufen auf einmal nehmend die
enge, steile Treppe hinauf, um die Moserin zu suchen.
    Drei Türen links, vier Türen rechts. Nach dem zweiten Versuch hatte
er sie.
    »Tu mir nichts! Tu mir nichts!«, rief sie mit verzerrtem Gesicht und
hob beide Hände. Sie stand am Fenster, das zum Hof führte. Sie hatte wohl
hinausgeschaut.
    »Keine Angst, ich tu Ihnen nichts. Sind Sie hier zu Hause?«
    Ihre Miene entspannte sich schlagartig.
    »Zu Hause«, sagte sie gefühlvoll. »Dahoam.«
    Rico war kein Psycho-Mensch. Er wusste nicht, wie man mit
Demenzkranken umging. Er probierte es einfach.
    »Waren Sie beim Tod Ihrer Tochter dabei?«, fragte er.
    Die Moserin wirkte verklärt.
    »Tot? Der Wolf ist tot. Keine Schafe mehr.«
    Rico machte zwei, drei Schritte in das karg ausgestattete Zimmer
hinein. In einer Armeslänge Entfernung stand er vor ihr.
    Mit weit aufgerissenen Augen wich sie zurück und wirbelte mit den
Armen.
    »Haben Sie das Gewehr in der Hand gehabt? Wissen Sie es noch? Sie
haben doch auf den Wolf geschossen, oder?«
    Die Moserin presste die Lippen zusammen, was ihr einen noch
abweisenderen Gesichtsausdruck verlieh.
    »Haaaaaaaalt! Was bilden Sie sich ein!« Die Resi stand unter der
Tür. Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt und rote Flecken im Gesicht.
»Wer hat Ihnen erlaubt, sich hier im Privathaus umzuschauen? Und mit

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