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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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der
Moserin zu sprechen? Ihre Zimmertür war zu!«
    Endlich eine menschliche Regung bei der Frau. Zuerst der Weinkrampf,
jetzt der Wutanfall. Kein Wunder, wenn sie durcheinander ist. Immerhin ist ihre
Mutter auf grässliche Weise umgekommen.
    Aus der Moserin war eh nicht mehr rauszuholen. Ziemlich hoffnungslos,
das Mädchen, dachte Rico.
    Es gelang ihm noch, eine Frage an die Resi zu richten, die ihm
wichtig erschien.
    »Ist die Moserin in ärztlicher Behandlung?«, fragte er.
    »Mmhhhmm.«
    »Wie heißt der Arzt?«
    »Weiß ich nicht. Weiß aber das Haus, in dem sie wohnt.«
    »Und?«, fragte er heftig. »Verdammt, lassen Sie sich nicht alles wie
Würmer aus der Nase ziehen. Wie heißt das Haus?«
    Darauf bekam er endlich eine konkrete Antwort. Das Wohnstift Grandis
drunten in der Stadt. Kannte er vom Hörensagen.
    Zu seiner großen Freude gelang es ihm in kürzester Zeit, oben die
Resi zu beruhigen, unten dem Seppe die Hand zu schütteln und der Sissi über den
Kopf zu streicheln.
    Ein Blick zurück bestätigte ihm, dass die Moserin am Fenster stand.
Ob ihre Augen ihm folgten, war nicht zu erkennen.
    Im zweiten Gang fuhr er die gewundene, steile Bergstraße hinunter.
In seinem Kopf arbeitete es. Ein Hund, der einem Menschen mit dem Gewehr den
Kopf zerbröselt. Wenn das stimmte, würde das in die Annalen eingehen.
    Aber: Wusste die junge Frau mehr, als sie zugab?
    ***
    Nach einer Weile ging der Seppe vor die Tür. Ziellos
überließ er sich dem eiskalten Regen, der auf ihn niederprasselte. Es gefiel ihm
sogar, wie er über und über patschnass wurde. Er schlenderte mit den Händen in
der Hosentasche und gesenkten Augen dahin, das Bild der Moserin im Kopf, die
leblos und mit weggeschossenem Kopf auf die Bank gerutscht war. Bei jedem
kleinen Schritt verflüchtigte sich das Bild ein bisschen mehr, und eigene
Gedanken kamen auf.
    Atemlos und wie angewurzelt blieb er stehen, als er sich einem Bussard
gegenübersah. Der Bussard hockte mitten in einem Weißdornstrauch, war bucklig
und schwarzgrau, hatte einen Riesenschnabel und starrte ihn aus Augen an, die
wie grüne Scheinwerfer leuchteten.
    Ein zweiter Bussard rauschte über sie drüber.
    Der Seppe hob den Kopf, der Bussard nicht.
    »Geh, hau ab«, rief der Seppe, »i fürcht mi ned!«
    Zur Bekräftigung warf er die Arme nach vorn, wackelte mit den Händen
und spreizte die Finger. Der Seppe hatte wirklich keine Angst vor dem
Raubvogel.
    Dann geschah zweierlei. Erstens blieb der Bussard hocken und schaute
ihn weiter an, als wolle er ihn gleich fressen.
    Und zweitens kriegte der Seppe nun kein Wort heraus, obwohl er sonst
gar nicht auf den Mund gefallen war.
    Statt »Geh, hau ab« spitzten sich die Lippen wie von selbst und pfiffen
lang-kurz-lang ein viel zu leises »Da-di-da« vor sich hin, das der Vogel kaum
hören konnte.
    Er probierte es noch einmal und kam zum gleichen Ergebnis.
    Es war ihm vorhin schon mal aufgefallen. Er konnte nicht mehr reden!
Kein Wort. Mir hat’s bestimmt vor Schreck die Sprach verschlagen, hatte er
schon einmal von der Mama gehört. Aber dann ging das doch auch wieder vorbei,
wenn der Schreck wieder weg war, oder? Er musste nur abwarten.
    Cool bleiben!
    Mei, is des a Gfredd, ging es ihm im Kopf herum.
    Unser kloans Zamperl soll die Großmutter erschossen ham? Wer soll
des denn glauben? Die Sissi mit ihre treuen Augen? Die der Wolf so zugerichtet
hat? Und die den Wolf vertrieben hat?
    Diese Fragen streifte der Seppe aber bald ab. Ihn hatte es einfach
umgehauen nach diesem Mord. Denn dass das, was die Moserin mit der Großmama
gemacht hatte, Mord war und kein Unfall, das war ihm sonnenklar. Nicht erst,
seit er »Tatort« und die »Rosenheim Cops« schauen durfte.
    Nimmt die das Gewehr und schießt ihr in den Mund, ha! Klar, die zwei
haben sich noch nie gemocht.
    Interessant ist’s aber schon gwesen, wie des Blut gspritzt hat. Das
war so, wie seine Freunde das immer von ihren Videospielen erzählten. Ein
Schuss und – peng!, haut’s einem das Gehirn raus. Und dann fällt die
Leiche um und ist total weg. Schön hat s’ nimmer ausgsehn, die Oma. Aber kein
Wunder bei dem Riesenkaliber von der Patrone.
    Er hat genau gesehen, der Seppe, wie die Moserin die leeren
Patronenhülsen eingsteckt hat. Da is er jetzt schon gspannt, ob die Kriminaler
des merken werden. Dass da keine Hülsen rumliegen, wo doch zwei Schüsse erfolgt
sind. Einer durch die Tasse, der andere durch den Mund. Vielleicht sind die ja
im Mund oder im Kopf stecken geblieben. Aber

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