Grabmoosalm (German Edition)
stotternd wieder zum Laufen.
Dann ging es die Auffahrt hinauf, eine kurvige und holprige Fahrt.
Er hatte das linke Fenster heruntergelassen, der Fahrtwind wehte ihm
ins Gesicht und trug ein Geruchgemisch aus Tannengrün, Harz und Erde herein. Er
meinte sogar, frisch geschnittene Steinpilze zu riechen. Doch das war sicher
die Einbildung.
In der Haarnadelkurve kurz vor Rehwiesen glitt sein Blick nach
rechts in den Wald. Er schnappte nach Luft. Es kam ihm vor, als hätte er einen
Hund zwischen den Bäumen hindurchhuschen sehen. Der Hund sah allerdings aus wie
ein Wolf. Doch das war unmöglich. Oder?
Er hatte den Kopf bis zum Anschlag gewendet. Sodass er den
Vierradgetriebenen nicht rechtzeitig kommen sah, der von links in rasendem
Tempo auf die Straße zuschoss.
Es hatte leicht zu regnen begonnen.
»Sie sind doch …«
»Hallo, Herr …«
»Der Mann, der wo der Großmutter das Gewehr weggenommen hat«,
plärrte der Seppe dazwischen.
»Können Sie kochen?«, fragte Ottakring.
Die Resi schaute verwundert. »Ja freili«, antwortete sie trotzdem.
»Wie kommen S’ denn da drauf?«
»Bereiten Sie die Schwammerl vom Herrn Döring auch so gut zu wie
Ihre Frau Mutter?«
Die Resi musste einen Lachanfall unterdrücken.
»Die hat meine Mutter nie selber gmacht. Die hab immer i gmacht.
Und der Herr Döring versteht was von die Schwammerl. Und die Bella auch.«
Der Seppe zuckte zusammen.
Sie hatten sich außerhalb ihrer Autos auf dem schmalen Sträßchen
zusammengestellt. Jeder musterte den anderen argwöhnisch.
»Warum erschrickst du?«, fragte Ottakring den Seppe lauernd.
»I? Erschrecken?«
Ottakring war gewarnt.
»Wo wollen S’ denn so eilig hin?«, fragte er die Resi beiläufig.
»Ach, äh …«
Ein Rufen aus dem Wald.
Joe Ottakring konnte den Ruf eines Wolfs sehr wohl von dem eines
Hundes unterscheiden.
Also hatte er sich vorhin doch nicht getäuscht. Aus dem Augenwinkel
musterte er seine beiden Gegenüber. Die Resi ließ den Autoschlüssel durch die
Hand kreisen. Der Seppe hatte große Augen und musste einen Schrei unterdrücken.
»Frau Moser«, sagte Ottakring bestimmt. »Ich bin Polizist. Ich setze
mich jetzt hinten in Ihr Auto, und wir fahren gemeinsam dahin, wo Sie eh
hinfahren wollten. Okay?«
Er hatte ein sicheres Gefühl im Bauch.
Der Seppe hielt es nicht mehr aus.
»O ja«, flötete er mit heller Stimme und warf sich auf den
Vordersitz. »Schon wegen der Großmutter.«
»Großmutter.«
Bei dem Begriff musste Ottakring plötzlich an den Gülsüm-Fall
denken. Er hatte ungewöhnlich lange nichts mehr darüber gehört. Weder Chili
noch Rico Stahl hatten sich gemeldet. Dabei war schließlich er derjenige
gewesen, der die Sache durch seine Kontakte nach Ankara beschleunigt und
erleichtert hatte.
FÜNF
In früheren Zeiten hatten sie Büßerhemden getragen, um zu
bereuen.
Die moderne Form der Buße war der Verzicht auf die Krawatte!
Jedenfalls im Falle Rico Stahl. Er hatte auch keinen Anzug an, sondern eine
sandfarbene Chinohose mit ziemlich ausgebeulten Außentaschen, darüber ein
weites Leinenhemd in passender Sumpffarbe. Sein Stolz verbot ihm zuzugeben,
dass er sich darauf freute, sich endlich wieder eine seiner geliebten Krawatten
um den Hals schlingen zu dürfen. Er musste endlich den Fall der Gülsüm Hastemir
lösen, dann hatte die Plage ein Ende.
Eigentlich war die Sache praktisch bereits erledigt. Der
Staatsanwalt musste nur mehr seinem Antrag folgen und zuschlagen.
Die ermordete Gülsüm Hastemir hieß eigentlich Türkan
Hastemir und war nicht die Tochter von Mehmet Hastemir, der sich als ihr
leiblicher Vater ausgab, sondern von dessen Bruder Cem Hastemir, den sie als
ihren Onkel ausgegeben hatte.
An diesem sonnigen Nachmittag drückte Gülsüms wahrer Onkel Mehmet
Hastemir an der Pforte des Polizeipräsidiums die Klingel.
»Ich habe diese Sache gemacht«, gestand er der Pförtnerin, die
schnell schaltete und Chili Toledo benachrichtigte.
»Kann ich davon ausgehen«, begann Chili, »dass Sie mit ›dieser
Sache‹ die Tötung Ihrer Tochter meinen?«
Dass sie über die wahren Familienverhältnisse Kenntnis hatte, behielt
sie für sich.
»Ja, ich habe es getan.«
Sie saßen im Vernehmungszimmer. Ein Uniformierter schnitt das
Gespräch mit, ein Dolmetscher war schnell besorgt.
»Dann schildern Sie bitte, wie Sie Gülsüm getötet haben. Möglichst
genau, bitte.«
Mehmet war blass und hatte tiefe Augenringe. Er schilderte Gülsüms
Verhältnis mit dem verheirateten Franz
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