Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
zu lösen, bereits im Frühjahr 1959 Zhang Fuhong veranlasst, in einer Produktionsbrigade Pilotprojekte einzurichten, in denen die Produktionsquoten nicht von den Volkskommunen, sondern nach den einzelnen Haushalten festgesetzt wurden (das ist damals auch an anderen Orten gemacht und vom Zentralkomitee der KPCh nicht kritisiert worden).
Nach der Lushan-Konferenz [3] verurteilte man diese Maßnahmen als rechtsgerichteten Opportunismus. Ma Longshan übernahm nicht die Verantwortung für sein Tun, sondern behauptete, Zhang selbst habe das veranlasst. Zhang bestätigte das aber nicht, sondern beharrte darauf, von Sekretär Ma beauftragt worden zu sein. [13] In einem despotischen System erdrückt die höhere Stellung die niedrigere. Deshalb hat Zhang Fuhong ein derart grausames Ende gefunden.
Der Kampf gegen rechte Tendenzen in den anderen Kreisen war nicht weniger grausam. So führte etwa der Kreiskomiteesekretär des Kreises Xi, Xu Xilan, den Vorsitz bei der Kampfkritik [4] gegen seinen Stellvertreter Feng Peiran: Er thronte oben, mit einer Pistole an der Hüfte, Feng Peiran stand unten, jemand hielt ihn am Hals gepackt, andere schlugen und traten auf ihn ein.
Wie sich Zhang Shufan, der stellvertretende Gebietssekretär und -kommissar, erinnert, mussten in seiner Gegend über 12000 Menschen [14] solche Kampfkritiken über sich ergehen lassen. Unter dem herrschenden politischen Druck blieb den Kadern auf allen Ebenen nichts anderes übrig, als irgendetwas daherzureden.
Zwischen Juni und Juli 1958 brachte die Renmin ribao drei Berichte über die hohen Weizenerträge in Xinyang. Diese drei »großen Satelliten« [15] , die im Gebiet von Xinyang starteten, waren die »enormen Früchte« des Kampfes gegen rechte Tendenzen. Wer es in der extrem aufgeladenen politischen Atmosphäre gewagt hätte, an diesen Berichten zu zweifeln, dem wäre der politische Hut [5] eines »Miesmachers«, »Skeptikers« und so fort aufgesetzt worden; wer hätte sagen wollen, dass die Vorbilder dieser hohen Erträge nicht echt sind, der wäre einer Kampfkritik unterzogen worden.
1959 kam es in Xinyang zu einer Dürrekatastrophe. In dem fanatischen Zustand, in dem damals das ganze Land war, kam vom Gebietskomitee von Xinyang die Parole: »Große Dürre, hohe Erträge«. Es war offensichtlich, dass eine solche Katastrophe die Produktion verringern musste, aber gesagt werden musste, sie übersteige die des Jahres ’58. Zhang Shufan, der als stellvertretender Gebietssekretär und -kommissar für Landwirtschaft zuständig war, hielt im August eine Konferenz der Verantwortungsträger sämtlicher Kreise ab, wo jeder aufgefordert war, den Tatsachen entsprechend die Lage einzuschätzen, sich mit der katastrophalen Situation vertraut zu machen und frühzeitig Maßnahmen wie u.a. den vermehrten Anbau von Gemüse zu treffen, um eine Hungersnot abzuwenden.
Nicht viel später legte sich auf alles der Geist der Lushan-Konferenz, der politische Druck wurde immer größer und die Gebietskomitees ließen die verschiedenen Kreise die Produktionsmenge der Herbsternte vorab schätzen. In dieser Atmosphäre wurden immer höhere Erträge gemeldet, jede Schätzung lag höher als die vorangegangene, die Verantwortlichen in den Kreisen wagten nicht, als erste eine Schätzung abzugeben, aus Angst, sie würden bei einer zu niedrigen Schätzung einer Kritik unterzogen. Wie sich Yu Dehong, damals Mitarbeiter der großen Konferenz, 40 Jahre später erinnerte, wurden zu Beginn 30 Milliarden Pfund gemeldet. Sowohl Zhang Shude wie auch Qiu Jinmin hielten damals die Angabe für zu hoch und verlangten eine neue Schätzung, die sich zunächst auf 15 Milliarden Pfund belief und dann auf 7,2 Milliarden sank. Als der Ständige Ausschuss der Gebietskomitees tagte, glaubten acht der neun Mitglieder des Ständigen Ausschusses, dass die Ernte von 1959 höher ausfallen werde als die von 1958. 1958 hatte der Ertrag bei 5,6 Milliarden Pfund gelegen, da wären 7,2 Milliarden Pfund für 1959 ganz normal. Aber Zhang Shufan glaubte nur an einen Ertrag von 4 bis 5 Milliarden Pfund Getreide.
Ende August, Anfang September veranstaltete das Provinzkomitee der KPCh von Henan eine große Konferenz zur Umsetzung des Geistes von Lushan, Xinyang führte den Vorsitz aufgrund der Tatsache, dass Zhang Shufan Chef der Kreiskomiteesekretäre war (und nicht der Gebietssekretär Lu Xianwen). Die Konferenz begann mit den Ertragsmengenberichten der verschiedenen
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