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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Bewegung.
    Kérven des Iles, dessen Haare noch dunkel und feucht vom Bad schimmerten und der in einem frischen Hemd und einem grünsamtenen Wams vor ihr stand, blieb ebenfalls wie gebannt stehen. Zu reizvoll war das Bild, das sich ihm bot.
    Anders als Graciana fing er sich jedoch schnell wieder. Sie war zu unerfahren, um das Glitzern in seinen Augen deuten zu können, aber ihre feinen Sinne warnten sie dennoch vor einer unbekannten Gefahr. Sie wich zurück, stieß aber mit den Kniekehlen gegen den Rand des Zubers, der genau hinter ihr stand. Sie taumelte, drohte zu fallen und fand sich in den Armen des Seigneurs, ehe sie auch nur bemerkt hatte, dass er sich in Bewegung gesetzt hatte.
    »Ich bitte Euch, lasst mich«, rief sie bestürzt. »Ihr habt mir erlaubt, dieses Bad zu benützen. Ich habe nichts Unrechtes getan ...«
    »Niemand behauptet das, und ich am allerwenigsten, meine Schöne«, raunte er mit einer Stimme, die sich wie beruhigender, dunkler Samt auf Gracianas vibrierende Nerven legte. »Ich mache dir keine Vorwürfe. Ganz im Gegenteil ...«
    Graciana vermochte sich nicht gegen seinen Griff zu wehren, ohne das Tuch loszulassen, das ihren einzigen Schutz bildete. Ihr Atem ging heftig, doch der Seigneur schien weder ihre Panik noch ihr Widerstreben zu bemerken, so sehr faszinierte ihn der Anblick der rosig überhauchten, seidig zarten Haut, von der er so viel zu sehen bekam. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    »All das hast du unter diesen Lumpen versteckt? Bei Gott, es sieht so aus, als hätte mir dieser Feldzug eine Kostbarkeit geschenkt, mit der ich gar nicht gerechnet habe!«
    »Lästert nicht den Herrn«, beschwerte sich Graciana unwillkürlich, aber es fiel ihr schwer, in den anerzogenen, frommen Bahnen zu denken. Würde Mutter Elissa sie so sehen, sie bekäme sicherlich einen Schreikrampf!
    Es kam ihr vor, als spüre sie ihr Blut schneller durch die Adern rauschen, als habe sie mit dem Schmutz auch eine wichtige Schutzschicht verloren. Wo seine Hände ihre Haut berührten, schien sie zu brennen, während gleichzeitig ihre Knochen zu Wasser zu werden drohten. Wenn er sie losließ, wie sie es verlangte, würde sie hilflos in sich zusammensinken.
    »Schscht!«, sagte er beruhigend. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Man hat dir übel mitgespielt, aber bei mir bist du in Sicherheit. Nicht alle Männer sind grob und brutal!«
    Graciana nahm wahr, dass er nach frischer Minze und grünem Moos duftete, dass er sich glatt rasiert hatte und die schlimme Schramme auf seiner Wange in erster Linie verschorftes Blut und verklebter Schweiß gewesen sein mussten. Nun zog sich lediglich eine rötliche Spur bis zur Schläfe, die vermutlich binnen kurzem zu einer kaum sichtbaren Narbe verblassen würde.
    »Komm, meine Kleine, wehr dich nicht länger gegen mich! Du willst es doch auch, ich kann es in deinen Augen lesen!«
    Graciana hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Sie wusste nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte. Sie hörte das eigene Blut in den Adern rauschen, und ihr Herz raste, als sei sie zu lange und zu viel gerannt. Ihr war heiß und kalt zugleich, seltsame Schauer rieselten mit Spinnenfingern ihr Rückgrat hinab.
    Kérven tauchte in den Goldglanz ihrer riesigen Kinderaugen wie in eine Sonne. Von der faszinierenden Klarheit dieses Blicks gefangen, gab er es auf, Fragen zu stellen. Er wusste nur eines, er begehrte dieses Mädchen. Er kam fast um vor plötzlichem Verlangen. Er vergaß seinen Hunger, seine Müdigkeit, seine schmerzenden Knochen und die Gebote der Gastfreundschaft, die seine Anwesenheit in der großen Halle erforderten.
    Gracianas erschreckter Seufzer erstickte unter einem Kuss, der sie in ihrer Unerfahrenheit wie eine Brandfackel entzündete. Der zärtlich überredende Mund, der den ihren liebkoste, weckte eine Fülle von ungekannten Gefühlen in ihr. Niemand hatte sie je auf den Mund geküsst! Sogar Mutter Elissa hatte zum Abschied lediglich ihre kühlen, wächsernen Lippen auf ihre Stirn gelegt. Eine unpersönliche, zeremonielle Geste, die nicht mit diesem Kuss zu vergleichen war!
    Etwas in ihr drängte sie, diese Zärtlichkeit hinauszuzögern, zu verlängern, den Genuss zu steigern. Ihre schüchterne Erwiderung war alles, was Kérven an Aufforderung nötig hatte. Er schmeckte nach dem Malvasier, den ihm die Dame de Rohan zum Willkommen kredenzt hatte. Graciana klammerte sich haltsuchend an seine Schultern und vergaß das Leinentuch, ihre Nacktheit und die Welt um sich

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