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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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aus den Gegebenheiten das Beste machen. Aber wenigstens konnte sie allein entscheiden, was sie tun wollte. Ein unerhörter Luxus für jemanden, dessen Leben bisher ausschließlich von Geboten, Arbeit und Pflicht bestimmt worden war.
    Von den schweren Fuhrwerken behindert, kam der Tross des Grafen an diesem ersten Tag nur bis zur Burg von Josselin. Da sich unter den Botschaften, die Kérven des Iles beförderte, auch ein Brief des Schlossherren Olivier de Clisson an seine Braut Marguerite de Rohan befand, die diese Burg für ihn hielt, wurde der Seigneur in den Mauern der Festung herzlich willkommen geheißen.
    Graciana bekam nur aus der Ferne mit, wie der Ritter das Knie vor einer Dame beugte, die ein wunderschönes Gewand aus dunkelrotem, pelzgesäumtem Samt und eine beeindruckende Spitzenhaube trug. Sie hatte Mühe, dem schnellen Schritt Ludos zu folgen, der sie in das Gemach seines Herrn brachte, das eben von kichernden Mägden vorbereitet wurde. Sie streuten duftende Kräuter über das frische Stroh, das den schweren Steinboden bedeckte, und die Laken auf dem mächtigen Kastenbett schimmerten in blendendem Weiß.
    Ludo beaufsichtigte die Vorbereitungen mit der Miene eines Menschen, der sich seiner Wichtigkeit überaus bewusst ist. Er nahm gnädig zur Kenntnis, dass die Knechte mit dem Badewasser für seinen Herrn unterwegs waren, und scheuchte die Mädchen hinaus. Graciana floh in die Fensternische, wo sie sich vorsichtig auf einem bestickten Polster niederließ, das dort bereitlag. Bis zur Kinnspitze in ihren Mantel gehüllt, saß sie da und wartete.
    Sie fragte sich ratlos, was von ihr erwartet wurde, als sich die schnellen Schritte des Seigneurs näherten und Ludo zur halbrunden Tür stürzte, um sie vor seinem Herrn aufzureißen.
    »Gut!«, stellte Kérven des Iles nach einem schnellen Blick in die Runde fest. »Man könnte in Versuchung kommen, den Herrn de Clisson um diese Eheschließung zu beneiden. Welch ein wohl geführter Haushalt – oder was meinst du dazu, meine goldäugige Schöne?«
    Graciana blieb stumm, denn sie bezog seine Worte nicht auf sich. Sie hatte ihr Gesicht selbst nur als verschwommene Spiegelung in einer Waschschüssel gesehen; männliche Bewunderung war ihr unbekannt. Noch nie in ihrem Leben hatte jemand sie »schön« genannt.
    Ehe der Seigneur jedoch ungehalten werden konnte, kratzte es an der Tür, und zwei Knechte schleppten eine mächtige, kupferne Sitzwanne in das Gemach. Ihnen folgte eine Reihe weiterer Lakaien, die Eimer mit dampfendem Wasser herbeischleppten. Eine üppige Magd, deren gewaltige Brüste kaum von ihrem Mieder gebändigt wurden, brachte Tücher und Seifentiegel. Sie schien durchaus bereit, dem gut aussehenden Gast bei seinem Bade behilflich zu sein, wie es sich gehörte, aber Ludo scheuchte sie in seiner ganzen Bedeutsamkeit davon.
    »Mein Herr benötigt dich nicht«, erklärte er hochnäsig und hoffte inständig, dass diese Tatsache auch für ihn selbst zutraf.
    Sein Magen knurrte, und er wollte rechtzeitig zum Mahl in der Halle sein, damit er noch seinen Teil von den Köstlichkeiten abbekam, die dort mit Sicherheit zu Ehren der Gäste serviert werden würden. Da ihm selbst kein Badezuber gebracht wurde, würde er zuvor noch das Badehaus der Burg aufsuchen müssen, und so war es ihm wichtig, keine Zeit zu verlieren. Kérven des Iles warf ihm einen verständnisvollen Blick zu und löste sein schweres Schwertgehänge, nachdem er den Umhang abgelegt hatte.
    »Ich brauche dich im Moment nicht mehr, Ludo. Kümmere dich um dein eigenes Quartier und sieh zu, dass du ordentlich etwas in den Magen bekommst!«
    Graciana sah sein Grinsen, als er dem Jungen nachschaute, der mit der Geschwindigkeit eines Kugelblitzes aus dem Zimmer sauste. Dieser Ritter hatte wahrhaftig die verschiedensten Gesichter. Kaum glaubte man, ihn ein wenig zu kennen, zeigte er sich schon als ein ganz anderer.
    Jetzt wandte er sich indes wieder zu ihr und präsentierte ihr ein nachdenkliches, versonnenes Antlitz, was sie vage verunsicherte, obwohl seine Worte freundlich klangen.
    »Mir will scheinen, dass dir ein wenig warmes Wasser auch nicht schaden könnte, Kleines! Vielleicht sollte ich dir den Vortritt in diesem Zuber lassen!«
    »Baden? Hier?«
    Die absolute Fassungslosigkeit, mit der Graciana dieses Angebot von sich wies, brachte ihn noch einmal zum Lachen.
    »Soll ich mir nun aussuchen, ob dein Widerstreben der Tatsache der Reinigung oder meiner Person gilt?«, erkundigte er sich mit einem

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